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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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bekam sie Ohnmachtsanfälle, von denen einer so lange anhielt, daß man glauben konnte, ihr Ende sei gekommen.
    Am 6. war ein Arzt aus Tralee erschienen, einer der barmherzigen Samariter, die ihre Unterstützung auch den Armen nicht versagen, obwohl sie davon keinen klingenden Nutzen haben. Der Betreffende machte gerade, wie früher üblich, einen Ritt durch die verödeten Landstriche, und Findling, der ihn von einer Begegnung im Hauptorte der Grafschaft her kannte, hatte ihn um einen Besuch in der Farm gebeten. Hier constatierte der menschenfreundliche Arzt, daß die Entbehrungen, im Verein mit dem Alter und dem Herzeleid, das an der Kranken nagte, mit einer nicht mehr fernen Katastrophe drohten.
    Diese Sachlage konnte er vor der Familie unmöglich verschleiern. Nicht Monate mehr, nicht einmal noch Wochen hatte die Großmutter zu leben; ihr Hingang stand voraussichtlich schon in einigen Tagen bevor. Noch bewahrte sie alle geistigen Fähigkeiten und würde sie auch bis ans Ende behalten. In dieser einfachen Bäuerin wohnte eine so energische Lebenskraft, eine solche Widerstandsfähigkeit gegen die endliche Auflösung, daß ihr leider ein recht harter Todeskampf drohte. Endlich würde die Schwäche sie übermannen, die Athmung aussetzen und das Herz aufhören zu schlagen….
    Vor dem Verlassen der Farm verordnete der Arzt noch eine Tinctur, die der Großmutter wenigstens die letzten Augenblicke erleichtern sollte. Dann ging er fort und ließ die Verzweiflung zurück in dem Hause, wohin das Mitleid ihn geführt hatte.
    Nach Tralee zu gehen, den Trank bereiten zu lassen und nach der Farm zu bringen, das hätte wohl binnen vierundzwanzig Stunden erledigt sein können; wie aber sollte man die Arznei bezahlen?… Nachdem alles Geld mit Abführung der staatlichen Abgaben erschöpft war, lebte die Familie nur von Feldfrüchten der Farm, ohne etwas dazu zu kaufen. Im Kasten befand sich kein Schilling mehr. Von Möbeln oder Kleidungsstücken ließ sich auch nichts mehr zu Geld machen. Es war das Elend im schlimmsten Maße.
    Da kam Findling eine Erinnerung. Noch besaß er die Guinee, die ihm Miß Anna Walston im Limericker Theater gegeben hatte. Ein reiner Scherz der Künstlerin, hatte er doch seine Rolle als Sib sehr ernst genommen, und ihm däuchte dies Geld in Ehren verdient. So hatte er die betreffende Guinee sorglich in seiner Casse, das heißt, in der Kruke, die seine Kieselsteine enthielt, aufgehoben. Leider konnte er zur Zeit nicht mehr darauf rechnen, daß diese sich jemals in Peace oder Schillinge verwandeln würden.
    Niemand in der Farm wußte, daß Findling dieses Geldstück besaß, und da kam ihm der Gedanke, es zur Beschaffung des der Großmutter verordneten Trankes zu verwenden. Das versprach ihm Linderung ihrer Leiden, vielleicht eine Verlängerung des Lebens und – wer weiß? – ihr Zustand konnte sich wohl gar dauernd bessern. Findling wollte noch immer hoffen, wenn er im Herzen auch verzweifelte.
    Entlehleden, sein Vorhaben auszuführen, beschloß er, nichts davon verlauten zu lassen. Das Geld gehörte ja ihm, er konnte darüber nach Belieben verfügen. Jedenfalls war keine Zeit zu verlieren. Um ungesehen zu bleiben, wollte er in der Nacht aufbrechen. Ein Dutzend Meilen bis Tralee hin und ebenso viele zurück, das ist für ein Kind zwar ein weiter Tagesmarsch, doch er dachte daran nicht im mindesten.
    Es war ungewiß, ob seine Abwesenheit während eines Tages so besonders auffiel, da er sich die ganze Zeit, wo er nicht bei der Großmutter saß, draußen aufhielt, die Umgebungen und die Landstraße auf zwei bis drei Meilen hin überwachte und immer gespannt wartete, ob nicht der Beamte des Middleman mit den Gerichtsdienern auftauchte, um die Familie auf die Straße zu werfen, oder ein Constabler mit Gehilfen käme, um Murdock zu verhaften.
    Am nächsten Tage, den 7. Januar, verließ Findling sein Zimmer um zwei Uhr früh, nachdem er noch die Großmutter, die sein Kuß nicht erweckte, umarmt hatte. Dann schlüpfte er aus dem großen Zimmer, drückte die Thür hinter sich geräuschlos zu und streichelte Birk, der ihn ansprang, als wollte er sagen: »Was? Mich nimmst Du nicht mit?« Nein, er wollte den Hund auf der Farm lassen.
    Während seiner Abwesenheit konnte das treue Thier jede verdächtige Annäherung vereiteln. Nach Ueberschreitung des Hofes und Oeffnung des Thores sah er sich allein auf dem Wege nach Tralee.
     

    »Diese Hände haben wohl nicht gearbeitet?« (S. 194.)
     
    Noch war es pechfinster. In

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