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Der Findling

Der Findling

Titel: Der Findling Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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den ersten Tagen des Januar, noch nicht drei Wochen nach der Wintersonnenwende, geht die Sonne in diesen Breiten zwischen dem 52. und 53. Grade erst sehr spät am südöstlichen Horizonte auf. Um sieben Uhr des Morgens färben sich die Bergspitzen kaum mit den schwachen Tinten des jungen Tages. Findling hatte also die Hälfte des Weges im Dunkeln zurückzulegen, doch das erschreckte ihn nicht. Die Witterung war sehr klar, die Kälte lebhaft, obwohl ein Thermometer nur etwa zwölf Grad unter Null gezeigt hätte. Am Firmament glänzten Tausende von Sternen. Die ganz weiße Landstraße zog sich über Sehweite hinaus wie vom Schneereflex erleuchtet hin und die Tritte gaben einen trocknen Widerhall.
    Um zwei Uhr des Morgens aufgebrochen, hoffte Findling vor Einbruch der Nacht zurück zu sein. Seiner Berechnung nach mußte er früh um acht Uhr in Tralee eintreffen. Zwölf Meilen in sechs Stunden zu überwinden, das war keine besondre Aufgabe für einen Knaben, der, jede Anstrengung gewöhnt, ein Paar gesunde kräftige Beine besaß. In Tralee gedachte er zwei Stunden auszuruhen, inzwischen in einem Wirthshause etwas Brod mit Käse und eine Pinte Bier zu verzehren, was ihm zwei bis drei Pence kosten konnte. Dann wollte er sich, wenn er die Arznei erhalten hatte, auf den Rückweg machen, um im Laufe des Nachmittags die Farm wieder zu erreichen.
    Dieses wohldurchdachte Programm sollte streng eingehalten werden, wenn nichts Unerwartetes dazwischen trat. Der Weg war gut und das Wetter einer schnellen Gangart günstig. Er war froh, daß die Kälte wenigstens eine Beruhigung der Atmosphäre herbeigeführt hatte.
     

    Dieser »Widder« zertrümmert alles. (S. 207.)
     
    Bei dem vorher so heftigen Westwinde und gegen das ihm dann entgegenpeitschende Schneegestöber hätte Findling kaum vorwärts kommen können. Heute aber begünstigten ihn die Verhältnisse, wofür er der Vorsehung aufrichtig dankte.
    Immerhin war der Weg, vorzüglich wegen einer Begegnung mit Wölfen, nicht ganz ohne Gefahr. Trotz des nicht besonders strengen Winters hörte man das heulende Gebell dieser Thiere in allen Wäldern der Grafschaft. Findling hatte gar wohl daran gedacht, und heftiger schlug ihm das Herz, als er sich so allein sah im weiten Lande und auf diesem scheinbar endlosen Wege, neben dem die überreiften Skelette der Bäume emporstarrten.
    Schnellen Schrittes und ohne jemals auszuruhen hatte der Knabe die ersten sechs Meilen seines Weges binnen zwei Stunden zurückgelegt.
    Es war jetzt um vier Uhr morgens. Im Westen noch tiefdunkel, schimmerte im Osten doch schon ein schwacher, fahler Lichtschein herauf, vor dem die Sterne etwas verblichen. Freilich dauerte es immer noch über vier Stunden, ehe die Sonne selbst am Horizonte aufstieg.
    Findling mußte jetzt einmal zehn Minuten Halt machen. Er setzte sich auf eine knorrige Baumwurzel und verzehrte eine mitgenommene geröstete Kartoffel mit dem frischen Appetit der Jugend. Mit dieser zweifelhaften Stärkung wollte er bis Tralee aushalten. Um viereinviertel Uhr brach er wieder auf.
    Den Weg von Kerwan nach dem Hauptorte der Grafschaft konnte er ja nicht verfehlen, da er diesen oft genug im Wagen zurückgelegt hatte, wenn ihn Martin Mac Carthy an Markttagen mitnahm. Das war damals freilich die gute Zeit, die Zeit beglückender Zufriedenheit, die jetzt schon so fern zu liegen schien.
    Die Landstraße war und blieb völlig öde. Kein Wanderer – um den sich Findling auch nicht besonders gekümmert hätte – zeigte sich, und kein Wagen rollte auf Tralee zu. Auf einem solchen hätte man ihm einen Platz gewiß nicht verweigert, und damit wäre ihm ja viele Anstrengung erspart geblieben. So konnte er nur auf seine kleinen, doch wenigstens kräftigen Beine rechnen.
    Endlich hatte er noch vier Meilen, wenn auch nicht so schnell wie die sechs ersten, hinter sich gebracht, und nun trennten ihn nur noch zwei von seinem Ziele.
    Es war jetzt halb acht Uhr geworden. Die letzten Sterne erloschen am westlichen Horizonte. Das trübe Morgengrauen jener hohen Breiten erhellte schwach den weiten Himmelsraum, so lange die Sonne den Gürtel von Dünsten in den niedrigeren Schichten nicht durchbrach. Immerhin bot sich jetzt schon eine weitumfassende Aussicht.
    Da erschien an einer höheren Stelle der Straße eine Gruppe von Männern, die von Tralee herkamen.
    Der erste Gedanke Findlings war es da, sich zu verstecken, obwohl ihm, einem Kinde, doch wohl niemand etwas zu Leide gethan hätte. Doch ohne sich das zu

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