Der Findling
sind ohne Gnade vertrieben. worden, der Landbau ist im Herzen getroffen. Wenn nur Weizen, Roggen, Hafer und Gerste mißriethen, so konnten die Leute zur Noth ein besseres Jahr abwarten. Hat aber ein allzu strenger und andauernder Winter die Kartoffel getödtet, dann bleibt dem Bewohner des flachen Landes nichts andres übrig, als in die Stadt zu flüchten und hier das »
work-house
« aufzusuchen, wenn er’s nicht vorzieht, früheren Auswandrern zu folgen. In diesem Jahre mußten sich eine Menge Ackerbauer dazu entschließen. Viele waren mit sich schon einig. In Folge ähnlicher Calamitäten hat sich die Bevölkerung einzelner Grafschaften sehr beträchtlich vermindert. In früherer Zeit hat Irland wahrscheinlich gegen zwölf Millionen Seelen beherbergt, jetzt leben allein in den Vereinigten Staaten von Amerika sechs bis sieben Millionen Ansiedler irischer Abkunft
Zur Auswandrung schien ja auch die Familie Mac Carthy verurtheilt zu sein. Weder die Wühlereien der Landliga, noch die Meetings, denen Murdock beiwohnte, konnten an diesem Sachverhalt etwas ändern. Die Hilfsquellen des »
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« (Armenamtes) erwiesen sich gegenüber so vielen Bedürftigen als unzureichend. Die von der Vereinigung der »
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« genährte Casse mußte bald geleert sein. Einer Erhebung gegen die Großgrundbesitzer, den Plünderungen, die eine solche jedenfalls im Gefolge haben würde. war der Lordlieutenant entschlossen, mit Gewalt entgegenzutreten. Das erkannte man schon an dem Auftauchen zahlreicher Polizeiagenten in den verdächtigen – oder ebenso richtig: in den am schlimmsten betroffenen – Grafschaften des Landes.
Gewiß wäre für Murdock die größte Vorsicht angezeigt gewesen, er aber spottete der Gefahr. Glühend vor Wuth, bethört von Verzweiflung verlor er gänzlich die Herrschaft über sich, stieß die furchtbarsten Drohungen aus und hetzte die Bauern zum Aufstande. Durch sein Beispiel angesteckt, compromittierten sich sein Vater und sein Bruder kaum weniger. Nichts vermochte sie mehr zu zügeln.
Findling, der immer das Erscheinen eines Polizeiaufgebotes fürchtete, hielt treulich Wache in der Umgebung der Farm.
Inzwischen lebte man hier von den letzten Hilfsmitteln. Um etwas Geld zu beschaffen, waren einige Möbelstücke verkauft worden. Und jetzt sollte der Winter noch mehrere Monate andauern! Doch woher die Nahrung genommen werden sollte für die Periode bis zum Wiedereintritt der bessern Jahreszeit, das wußte niemand.
Zu dieser Unruhe wegen der Gegenwart und der Zukunft kam nun noch der Kummer, den der Zustand der Großmutter verursachte. Die arme bejahrte Frau wurde von Tag zu Tag hinfälliger. Von den schweren Schicksalsschlägen getroffen, konnte ihr Leben nicht mehr lange währen. Findling blieb meist in ihrer Nähe. Er verließ das Zimmer gar nicht mehr und wich nicht von ihrem Lager. Sie liebte es, daß er bei ihr war und daß er die jetzt zweieinhalbjährige Jenny in den Armen hielt, die sie mit ihrem kindlichen Lächeln erfreute. Zuweilen nahm sie das Kind auch selbst und herzte die Kleine. Doch dabei kam ihr auch der schmerzliche Gedanke, was später aus diesem zarten Mägdlein werden solle, und dann fragte sie Findling wohl:
»Du hast sie doch recht lieb. nicht wahr?
– Ja, gewiß, Großmutter.
– Und wirst sie niemals verlassen?
– Niemals… niemals!
– Gott gebe, daß sie einst glücklicher werde, als wir es gewesen sind! Sie ist Dein Töchterchen, vergiß das nicht!… Du wirst schon ein großer junger Mann sein, wo sie noch immer nur ein kleines Mädchen ist. Ein Pathe ist dasselbe wie ein Vater. Wenn sie ihre Eltern einmal verlieren sollte…
– Ach nein, Großmutter, bitte, lassen Sie solche Gedanken! Das Unglück kann ja nicht ewig fortdauern… wenn nur erst einige Monate überstanden sind… dann werden Sie auch wieder gesund, wir sehen Sie, wie früher, im bequemen Lehnstuhle, und Jenny spielt zu ihren Füßen….«
Doch während Findling so sprach, fühlte er einen Stich im Herzen und warme Thränen in den Augen, denn er wußte, daß die Großmutter krank, sehr krank war. Dennoch fand er die Kraft, sich – wenigstens in ihrer Nähe – zu bemeistern. Wenn er weinte, so that er das draußen, wo ihn keiner sehen konnte. Und dann fürchtete er immer, den bösen Harbert mit den Gerichtsdienern ankommen zu sehen, die die Familie von ihrem einzigen Obdach verjagen sollten.
In der ersten Januarwoche verschlimmerte sich der Zustand der alten Frau beträchtlich. Wiederholt
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