Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Flatbootmann

Titel: Der Flatbootmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Gerstäcker
Vom Netzwerk:
seine verschiedenen Zwecke entsprechend schien.
    Auf diesen Booten sind lange, schwere Ruder angebracht, die nur aus einer Stange mit einem daran befestigten Brett bestehen und an Bord selber festgemacht werden. In diese legten sich die Bootsleute jetzt und ziemlich willig dazu, denn hier, wußten sie recht gut, kamen sie erst in zwei oder drei Tagen wieder fort und konnten sich an Land von der monotonen Wasserfahrt erholen.
    »Wetter noch einmal, Bill«, sagte ein baumlanger, kräftig gebauter Bursche aus Illinois mit blonden Haaren und gutmütigen blauen Augen, »wie verdammt hübsch das da drüben am Land ausschaut. Sieh nur die Apfelsinen da drüben - ein ordentlicher Wald; mir läuft das Wasser schon dabei im Maul zusammen.«
    »Pah«, brummte Bill, sein Kamerad, der mit ihm an einem Ruder lehnte, »nicht so viel geb ich für das sauersüße Zeug, da ist mir ein Becher Whisky und ein alter, ehrlicher Ohio-Apfel lieber als alle Apfelsinen von ganz Louisiana. Fühle mich überhaupt nicht wohl hier unten zwischen den Wollköpfen und wollte, daß wir schon wieder auf dem Heimweg wären. Hol der Teufel das Bootfahren, wenn er Lust hat!«
    »Munter, munter, ihr Leute - greift da besser ein - ihr beide da, Bill und Jack! » rief in diesem Augenblick der Eigentümer des Boots, der sich an seinem eigenen Bord gern ›Kapitän‹ nennen hörte. »Wir missen wahrhaftig die Landung, und wenn ihr das Boot nachher stromauf ziehen müßt, wißt Ihr, was das heißt.«
    Poleridge, wie der Eigentümer hieß, war eine wetterbraune Gestalt, mit eisenharten Zügen und kleinen, grauen, aber nicht ungemütlichen Augen. Ein Yankee von Geburt, hatte er sich fast ein Lebensalter in den verschiedenen Staaten der Union herumgetrieben und endlich in Ohio vorläufig das Land zu finden geglaubt, in dem er sich bleibend niederlassen könne - bleibend heißt das, was derartige Leute eben unter dem Namen verstehen, und wie verschieden ist darin der amerikanische Charakter von dem deutschen. Wo sich der Deutsche einmal niederläßt, wo er sich sein Haus baut und das Land urbar macht, da gedenkt er für seine Lebenszeit auszuhalten. Da düngt und da schafft er und bessert und richtet sich mit jedem Jahr wohnlicher ein; baut Scheunen und Ställe und gewinnt zuletzt den Platz so lieb, daß er von einem Verlassen desselben nichts mehr hören mag. Der Amerikaner dagegen kauft nur immer, um wieder zu verkaufen - ihm ist alles feil. Sein Pferd, sein Hund, sein Gewehr, der Rock - das Hemd, das er auf dem Leibe trägt; wenn ihm jemand einen annehmbaren Preis dafür bietet, zieht er's, wo er steht, herunter. Ebenso der Platz, auf dem er sich heimisch gemacht, ob er ihn nun ein oder zehn Jahre bewohnt. Anhänglichkeit an die Scholle kennt er nicht; der Boden ist ihm ebensogut Ware wie irgend etwas anderes, und bietet ihm heute jemand einen guten Preis, so packt er morgen, was ihm geblieben, wieder auf und sucht sich eben einen neuen Ort.
    So war der Alte auch schon ein tüchtiges Stück durch die Staaten gezogen; erst mit dem Packen auf dem Rücken, seine Waren durch das Land hausierend; dann, als er sich etwas verdient, mit einem Wägelchen; zuletzt mit zweispännigem Geschirr bald hier, bald da, auf alles rücksichtslos, nur nicht auf den eigenen Vorteil. Ein Vermögen hatte er auch schon in seinem vierundzwanzigsten Jahr gewonnen, und im nächsten mußte er wieder mit dem Hausieren beginnen, weil er zuviel auf die einzige Spekulation gewagt und alles verloren - aber was tat's? Er fing eben wieder von vorne an, verdiente noch einmal, verlor wieder und begann zum drittenmal, um wieder alles auf ein einziges Flatboot und den tückischen Strom zu setzen. Glückte ihm die Fahrt, so hatte er sein Vermögen verdoppelt, vielleicht verdreifacht - glückte sie ihm nicht - ei, Amerika war groß, und tausend Hilfsquellen und Wege gab es nach allen Richtungen hin für einen unternehmenden Kopf.
    Unzählige solche Menschen wohnen dort drüben in dem wunderlichen Land, für Tausende in unserer Heimat das Ziel ihrer Sehnsucht, ihres Hoffens; zähe Naturen alle, die wohl zu biegen, aber nicht zu brechen sind, wie der Hickory ihrer Wälder sich dem Sturm beugen und ihn über sich dahinbrausen lassen muß, um im nächsten Moment wieder so fest und sicher zu stehen wie je.
    Das Terrain hier, in das der alte Poleridge jetzt sein Boot gebracht, kannte er ebenfalls genau. Wie oft schon war er hier gewesen und hatte hier mit allem gehandelt, was eben feil sein konnte - vom

Weitere Kostenlose Bücher