Der Flatbootmann
aus sein Boot betrachtete, und schien ganz mit seinem eigenen Fahrzeug beschäftigt, keine Notiz von dem Mann am Land zu nehmen. Gesehen hatte er ihn aber nichtsdestoweniger schon von dem Augenblick an, wo er sich zuerst gezeigt.
Noch ein neuer Insasse des Boots kam zugleich zum Vorschein, und zwar niemand Geringeres als Mrs. Poleridge selbst, die Frau des Kapitäns, die mit einem ziemlich roten Gesicht, das Bonnet etwas zurückgeschoben, einen Blick nach dem vor ihr liegenden Ufer hinaufwarf. Dort unten aber, wo sie stand, konnte sie von dem Land weiter nichts erkennen als den grasbewachsenen, hochaufgeworfenen Damm. Mit der Aussicht also eben nicht besonders zufrieden, drehte sie sich um, hob einen kleinen braunen Dackel, der neben ihr winselte, auf das höhere Deck hinauf, das er allein nicht erreichen konnte, und verschwand gleich wieder, wie sie gekommen, in dem inneren Raum.
Der ›Alte‹ hatte sich nicht einmal nach ihr umgedreht; er schaute nach den Tauen, ob die auch gehörig befestigt waren, stieß mit dem Fuß eine im Weg liegende Rolle Leine beiseite und blickte dann über Bord hinunter ins Wasser.
»Hallo, das Boot!« rief da der Mann vom Ufer aus den Alten an. »Habt Ihr gar keinen schlechteren Fleck am Land hier finden können? Wer soll denn da zu Euch hinunterklettern?«
»Hallo?« sagte der Yankee, sich langsam nach der Stimme umdrehend. »Wer hat Euch denn schon gesagt, daß jemand hier zu uns herunterklettern soll?«
»Hm«, brummte der Mann oben, über die barsche Antwort etwas erstaunt. »Seid Ihr kein Handelsboot?«
»Handelsboot allerdings«, sagte der Yankee, seinen Tabaksaft weithin über Bord spritzend, »aber mit wenig zu verkaufen, was Ihr hier wahrscheinlich brauchen könnt, und mit einkaufen wird's hier bei Euch wohl auch dünn aussehen.«
»Habt Ihr Whisky an Bord?« fragte der Aufseher.
»Whisky? Nein«, sagte der Händler ruhig, »ist welcher hier in der Nähe zu bekommen? Der meinige ist alle, und ich möchte gern für die Leute etwas haben.« Der Aufseher sah ihn zum erstenmal mit seinem rechten Auge scharf an, während das andere die übrige Mannschaft zu mustern schien. Er mochte dem Mann die trockene Versicherung nicht gleich glauben. Poleridge blieb aber so vollkommen ruhig und gleichmütig dabei, daß er auch wieder anfing, seinen Verdacht fallenzulassen. Doch das bekam er schon noch heraus.
»Kommt Ihr an Land?« fragte er endlich nach längerer Pause.
»Werde wohl müssen«, sagte der Händler. »Wir haben kein Kochholz mehr an Bord. Gibt's dort oben trockenes Holz?«
»Wenig genug hier herum«, lautete die Antwort, »wenn Ihr nicht ein Stück zurück, nach dem Sumpf zu geht. Aber Ihr steckt ja da zwischen Holz. Haut Euch doch von dem ab!«
»Sieht so naß aus«, meinte der Yankee, die unterhalb im Strom liegenden Bäume betrachtend. »Kann nicht einer von Euren Negern hier nach Feierabend ein paar Cents verdienen?«
»Hm - das ginge vielleicht - wie lange wollt Ihr da liegenbleiben?«
»Wenn's hier nichts für mich zu tun gibt, nur bis morgen früh. Aber ich komme ein wenig hinauf, ein paar Dutzend Orangen wird man doch hier wohl kaufen können!«
»Ich will Euch von einem der Leute einige abschlagen lassen«, sagte der Overseer, während der Yankee eine aus dem Damm vorstehende Wurzel ergriff und sich mit deren Hilfe auf festes Land hinüberschwang.
»Habt Ihr guten Tabak an Bord?« fragte da der Aufseher, als der Händler neben ihm stand und seine beiden Hände wieder sorgfältig in die Taschen schob.
»Sollte es denken«, brummte dieser. »Echten süßen Kentucky - aber nicht viel. Hatte nur ein paar Kisten davon, die ich in Vicksburg absetzte. Die Leute rissen sich ordentlich darum, und was ich zurückbehielt, wollte ich eigentlich selber verbrauchen.«
»Ausgenommen, Ihr bekämt einen guten Preis dafür.«
»Das immer ausgenommen«, sagte der Händler ruhig. »Vom Ein- und Verkaufen leb ich, und wer mir etwas zu verdienen gibt, ist mein Mann.«
»Und kauft Ihr auch für Bargeld?« fragte der Aufseher, als er sein Pferd am Zügel nahm und langsam mit dem Alten an dem Damm, der sogenannten Levée, hinaufschritt.
Der Händler wußte ganz genau, was die Frage bedeuten sollte. Er kannte den Overseer schon von früher her, wenn sich dieser auch keinesfalls mehr auf sein Gesicht besinnen konnte. Dem Yankee war es aber gar nicht darum zu tun, alle seine Geschäfte hier im Fluge abzumachen. Er wollte vor allen Dingen Zeit gewinnen, drei oder vier Tage an
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