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Der Fluch der Druidin

Der Fluch der Druidin

Titel: Der Fluch der Druidin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Birgit Jaeckel
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Alte-Stadt vorbeigezogen waren, über vierzigtausend Krieger stark und dazu noch einmal mindestens dieselbe Zahl an Frauen und Kindern. Caran hatte Sumelis erzählt, dass die Kimbern im letzten Jahr abermals das vindelikische Gebiet durchquert hätten, diesmal aber weiter im Süden, am Rande der Berge entlang. Danach hatten sie das Gebirge überschritten und waren nach Italien eingefallen. Ein römisches Heer hatte versucht, sie aufzuhalten, war jedoch von der Flut aus dem Norden vernichtet worden.
    »Glaubst du, den Kimbern wird es gelingen, Rom zu erobern?«, hatte Sumelis ihren Großvater gefragt. Dieser hatte den Kopf geschüttelt. »Niemand weiß das. Aber wie ich höre, haben die Kimbern ihren Vorteil nicht genutzt und sind nicht weiter vorgestoßen. Sie haben den Winter in der Ebene am Fuße der Berge verbracht, ohne einen Finger zu rühren.« Leiser hatte er hinzugefügt: »Hauptsache, sie kommen nicht mehr zurück.«
    Ein Hund schoss vor Sumelis’ Füßen vorbei auf der Jagd nach einer Ratte, die zwischen den Brettern einer baufälligen Hütte verschwand. Sumelis schrak zusammen und presste unwillkürlich eine Hand gegen die Brust. Kurz darauf spürte sie eine Bewegung hinter sich und drehte sich um. Ein Stück hinter ihr näherte sich ein Mann. Er trug einen dunklen Umhang mit Kapuze und hielt wie sie den Kopf gesenkt. Der Regen wurde stärker.
    Sumelis wartete, bis der Mann sie überholt hatte, dann hastete sie an der Gebäuderuine vorbei und auf einen mit einem Spitzdach versehenen Brunnen zu, der am Rande einer kleinen Pferdeweide stand. Sie setzte sich auf die Brunneneinfassung und zog die Knie an. Auf diese Art vorm Regen geschützt, wartete sie darauf, dass der Schauer vorüberzog.
    Es dauerte länger, als sie vermutet hatte. Die dunkle Wolke schien sich über Alte-Stadt festgesaugt zu haben. Ein paar vereinzelte Hagelkörner fielen zu Boden; es klackte leicht, wenn sie auf die Holzschindeln des Brunnendachs trafen. Pfützen bildeten sich um den Brunnen herum, und Sumelis konnte in ihnen ihr verzerrtes Spiegelbild erahnen. Langsam begann sich auch die Dämmerung herabzusenken. Die wenigen Reiter und Fußgänger, die die Straße entlangkamen, hatten es eilig und bemerkten Sumelis nicht; sie hasteten vorbei, ohne nach links und rechts zu sehen. Sumelis gefiel der Anblick, wie die Flammen ihrer Seelen durch die Regenschleier hindurch zu ihr hinüberleuchteten, Signalfeuer, die ihr zeigten, wo menschliches Leben war. Die bläulichen Farben schimmerten warm vor dem Blick ihrer Gabe, unschuldig und verletzlich.
    Schließlich wurde Sumelis die Zeit doch zu lang, zudem sie zu frieren begonnen hatte und ihr Magen knurrte. Sie verließ den geschützten Platz unter dem Brunnendach und stapfte leise schimpfend durch die Pfützen hindurch in Richtung Straße. An der Rückwand der Hütte blieb sie stehen, um sich ihren langen Rock hochzubinden, der sich am Saum mit Wasser vollgesogen hatte. Von hier aus konnte sie die Straße nicht mehr sehen, nur die Rückseiten der Gebäude, einen aus Weidenruten geflochtenen Zaun, der ein Gehöft umgab, die Weide, wo ein paar Pferde mit gesenkten Köpfen eng beieinanderstanden, und den Brunnen.
    Hier könnte man fast glauben, ganz alleine in der Stadt zu sein,
dachte sie.
Zumindest für ein paar kurze Augenblicke.
    Erst als es bereits zu spät war, bemerkte sie, dass sie nicht allein war. Es war die Wahrnehmung eines Schattens, wo kein Schatten sein sollte, die sie herumwirbeln ließ. Ein doppelter Schatten: ein Körper, in Schwarz gekleidet, und eine Seele, verborgen in Dunkelheit. Ihre Flammen …
    Der Schlag, der Sumelis’ Kopf traf, erstickte ihr überraschtes Keuchen und vernichtete alle Gedanken. Sie spürte nicht mehr, wie starke Hände sie auffingen, kurz bevor sie auf den Boden schlug.
     
    Geräusche.
    Das Lachen von Kindern. Hundebellen. Dumpfe Schritte, deren Erschütterung sie mehr unter ihrer Wange spürte, als dass sie sie hörte. Neben ihrem Kopf blieben sie stehen. Es gelang ihr, die Lider einen Spaltbreit zu öffnen.
    Dämmerlicht. Eine Hand, die über ihrem Mund schwebte. Was machte sie da? Die Frage kam als Stöhnen über die Lippen. Sofort presste sich die Hand auf ihren Mund und drückte zu. Sie bekam keine Luft mehr. Sie wollte sich aufbäumen, doch ihre Arme und Beine waren gefesselt. Ein Stofffetzen drängte sich zwischen ihre Lippen. Sie presste sie zusammen und drehte den Kopf weg. Finger aus Stahl drückten gegen ihre Kiefer, zwangen sie

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