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Second Face

Second Face

Titel: Second Face Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolin Philipps
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    »Marie! Hey, Marie!«
    Die Stimme ihrer Freundin Valerie dringt nur ganz leise durch den Geräuschbrei aus dröhnenden Bässen und lauten Stimmen. »Sei froh, dass du ihn los bist!«
    Erst jetzt dreht Marie den Kopf zur Freundin, die ihr lachend das Colaglas entgegenstreckt. »Cheers! Auf Marie, die sich nicht länger verarschen lässt! Na los, komm schon!«
    Gehorsam nimmt Marie ihr Glas hoch. Aber ihr Kopf dreht sich automatisch zurück zu den eng umschlungenen Paaren auf der Tanzfläche.
    Dort wäre heute ihr Platz gewesen.
    Dort – in seinem Arm.
    Kai und Marie – das neue Traumpaar der Schule.
    Ein wunderschöner Traum, der an diesem Morgen wie eine Seifenblase zerplatzt ist.
    Nun steht sie hier, und eine andere liegt in seinem Arm, schmiegt sich an ihn und schaut so verliebt zu ihm auf, dass es beim Zusehen wehtut.
    Dass es ausgerechnet ihre Zwillingsschwester Anne ist, die den Platz einnimmt, der eigentlich ihr zusteht, empfindet sie als doppelten Verrat.
    Hat Kai sie wirklich nur ausgenutzt, wie ihre Freundin behauptet?
    Marie beißt sich auf die Lippen. Sie spürt die neugierigen Blicke der anderen wie Nadelstiche. Zu offen hat sie in den letzten Wochen gezeigt, wie viel es ihr bedeutet hat, dass Kai, der jedes Mädchen der Mittelstufe zur Freundin haben könnte, ausgerechnet sie ausgewählt hat. Oder hat sie es sich wirklichnur eingebildet, dass er mehr wollte als ein paar Nachhilfestunden in Englisch?
    »Er hat dich doch nur benutzt, um an deine Schwester heranzukommen. Vergiss den Typen!«
    Marie schüttelt den Kopf. Valerie irrt sich, sie muss sich irren. Aus irgendeinem Grund kann sie Kai nicht ausstehen. Kai hat sich in ihre Schwester Anne verliebt, das ist kaum zu ertragen, aber er hat das bestimmt nicht vorgehabt, als er sie, Marie, vor zwei Wochen auf dem Schulhof ansprach.
    Marie gilt in der Schule als Sprachgenie, hat schon mehrere Wettbewerbe gewonnen. Kai geht in die Nachbarklasse und ist nach eigener Aussage das Gegenteil von einem Sprachtalent. Er hat gesagt, er fürchte um seine Versetzung und brauchte für die Klassenarbeit am nächsten Tag Hilfe. Ohne auch nur eine Sekunde nachzudenken, sagte Marie zu.
    Noch am selben Tag kam Kai zur ersten Nachhilfestunde zu ihr nach Hause. Mit großer Sorgfalt hatte Marie alles vorbereitet, nicht nur den Unterricht, sondern auch sich selber. Sie war froh, dass an jenem Tag der Rest ihrer Familie nicht zu Hause war und niemand spöttische Bemerkungen machen konnte, warum sie für ihren Nachhilfeschüler sogar Lippenstift auflegte. Vor allem die spitze Zunge ihrer Schwester, die von allen gefürchtet wurde, hätte sie gar nicht gebrauchen können.
    Kai war ein gelehriger, wenn auch nicht sehr aufmerksamer Schüler. Er schaute immer zur Tür, als ob er jemanden erwartete.
    Erstaunlicherweise schien er doch so viel dazugelernt zu haben, dass er am nächsten Tag eine Drei in der Englischarbeit zustande brachte. Zum Dank lud er am Nachmittag Marie ins Kino ein und ihre Zwillingsschwester Anne, die in diesem Moment ins Zimmer kam, gleich mit.
    Marie war enttäuscht. Warum musste Anne ausgerechnet jetzt hereinkommen?
    Aus dem Kinobesuch zu dritt wurde dann auch nicht das, was Marie sich erhofft hatte. Im Gegenteil: Kai flirtete so offen und richtig unverschämt mit Anne, dass Marie, die doch der Anlass für diesen Kinobesuch war, sich völlig überflüssig vorkam.
    Für Marie war danach das Thema Nachhilfeunterricht erledigt, aber als Kai am nächsten Nachmittag wieder vor der Tür stand und sich offenbar keiner Schuld bewusst war, traute sie sich nicht, ihn wegzuschicken. Kai blieb zum Abendessen, persönlich eingeladen von Maries Mutter, die ihn ausgesprochen nett und höflich fand. Auch der Vater hatte nichts dagegen, diesen »freundlichen jungen Mann«, wie er sich ausdrückte, öfter in seinem Haus begrüßen zu können. An diesem Abend war auch von einem weiteren Flirt mit Anne keine Rede und Marie machte sich neue Hoffnungen.
    Aber spätestens nach dem Gespräch mit Paula, einer von Kais Klassenkameradinnen, hätte sie es besser wissen müssen.
    »Warum lässt du dich eigentlich von dem verarschen?«, hatte Paula gefragt. »Englischnachhilfe? Die braucht der doch gar nicht! Der steht auch ohne deine Hilfe glatt auf Drei.«
    Heute kann Marie nicht mehr verstehen, warum sie Paula nicht geglaubt hat. Damals hat sie gedacht, sie sei nur neidisch.
    Wann Anne sich das erste Mal heimlich mit Kai getroffen hat, weiß Marie nicht. Anne hat es ihr

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