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Der Fluch der Schriftrollen

Der Fluch der Schriftrollen

Titel: Der Fluch der Schriftrollen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Wood
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der Messias
zurückkehren möge, wie er es vierzig Jahre zuvor versprochen hatte. Die Zeit,
von der er gesprochen hatte, war da. Diese waren die letzten Tage.
    Die Kämpfe wurden schlimmer,
sowohl innerhalb als auch außerhalb der Stadtmauern. Diejenigen Juden, die noch
immer über die Stadtmauer flohen, um ihr Glück mit den Römern zu versuchen,
wurden von Titus auf den Bergspitzen gekreuzigt und dort als abschreckendes
Beispiel tagelang hängengelassen. Er wollte erreichen, daß wir ihm die Stadt
übergaben, aber wir taten es nicht. Diejenigen von uns, die wir zu
Zehntausenden in der Stadt geblieben waren, begegneten dem Hunger, sobald wir
den Fuß vor die Haustür setzten. Und wenn wir uns auf die Straße wagten, wurden
wir von halbverhungerten Wahnsinnigen belagert, die uns für ein verborgenes
Stück Brot in Stücke zu reißen drohten. Wie schnell die Vernunft im Angesicht
des Hungertodes weicht! Titus umzingelte die Stadt und brauchte nur wenig zu
kämpfen, denn er ließ den Hunger für sich Krieg führen. Als die Wochen
vergingen und die Hoffnung abnahm, beteten wir von den Armen unablässig, daß
der Messias kommen und uns erlösen möge. Es könnte an diesem Nachmittag, an
diesem Abend oder am nächsten Morgen sein, und dann würden wir die Trompeten
des Herrn hören und wissen, daß wir gerettet wären. In dieser ganzen Zeit wich
Rebekka mir nie von der Seite. Miriams Haus war nun zum Bersten voll, bevölkert
mit Familien, deren Häuser nicht länger sicher waren. Wir versuchten, jedem zu
essen zu geben, doch es war eine karge Kost. Und noch immer sangen wir die
Loblieder auf den Neuen Bund und hofften, Josua unter uns zu finden. Sara und
Jonathan hatten alle Hände voll zu tun, um die Kranken und Verwundeten zu
pflegen und den Glauben derjenigen zu stärken, die schwächer wurden. Sara half
beim Zubereiten und Verabreichen der geheimnisvollen Arzneien, die die Mönche
vom Salzmeer ersonnen hatten und die Jakobus und die Zwölf bei ihren Heilungen
verwandten. Und ich liebte sie in dieser Zeit mehr als je zuvor, wenngleich sie
blaß und dünn geworden war und doppelt so alt aussah, als sie in Wirklichkeit
war. Sara zog den göttlichen Ratschluß nicht ein einziges Mal in Zweifel, wie
es so viele andere jetzt taten, und ich betrachtete sie als eine Heilige unter
den Frauen. Nun ist der Augenblick da, in dem ich über die traurigste Zeit
sprechen muß.
    Die Nachricht erreichte unser
Haus, daß Saul verwundet worden sei und in dem Haus eines Freundes in der
Unterstadt liege. Der Junge, der die Botschaft überbrachte, war nicht älter als
Jonathan, ein mageres Bürschchen, in einer zerfetzten Tunika, in dessen Augen
sich die Greuel widerspiegelten, die er gesehen hatte. Er fiel über die kleine
Scheibe Brot her, die wir ihm gaben, und erstickte fast, als er gierig aus dem
Becher mit Wasser trank. Als ich dies sah, machte ich mir große Sorgen, denn ich
wußte, daß Saul ebenfalls ohne Nahrung sein mußte.
    So wickelte ich meine eigene
kleine Ration ein und steckte sie in meinen Gürtel, zusammen mit einem Beutel
mit weißem Pulver, das Jakobus oft in kleinen Mengen zur Linderung von
Schmerzen verabreichte. Ich erzählte Rebekka von meinem Gang, nicht jedoch
Sara, da ich nicht wollte, daß sie die schlechten Nachrichten von ihrem Mann
erführe. Dann machte ich mich auf den Weg durch die abendlichen Straßen.
    Wäre es möglich gewesen, mich
auf den Anblick des Schreckens vorzubereiten, dem ich in den Straßen begegnete?
Wie blind ich doch gewesen war! In welcher Unkenntnis über das wahre Ausmaß der
Not, die in unserer Stadt herrschte! Während ich monatelang in Miriams Haus auf
dem Fußboden gekniet und mit meinen Glaubensbrüdern zu Gott gebetet hatte, war
Jerusalem ein Friedhof geworden.
    Allenthalben lagen
aufgedunsene Leichen umher, von denen ein solcher Gestank ausging, daß ich mich
übergeben hätte, wäre mein Magen nicht so leer gewesen. Jämmerliche Gestalten,
die einst angesehene Bürger gewesen waren, stöberten nun in der Gosse nach
einem Stückchen Kuhdung, das sie verzehren konnten, und durchsuchten die
Kleider der Toten nach etwas Brauchbarem. Überall um mich her sah ich
hohlwangige Gesichter, ausgemergelt und eingefallen, als wären sie aus Gräbern
auferstanden. Bis aufs Skelett abgemagerte Frauen hielten tote Säuglinge an
ihre verwelkten Brüste. Wilde Hunde zerrissen die Schwachen und Wehrlosen, die
am Wegrand lagen.
    Es war für mich wie ein
Keulenschlag, und ich erkannte, daß Saul die

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