Der Flug der Adler
weit geöffneten Landeklappen bei relativ
hoher Geschwindigkeit, was natürlich problematisch ist, wenn einer
der Motoren ausgefallen ist.
Bei leichtem Wind und schwachem Seega
ng wird gegen den Wind gelandet; bei heftigem Wind und hochschlagenden
Wellen muß parallel zu den Wellenkämmen gelandet werden. Wir
hatten allerdings keine Ahnung, was für ein Seegang uns dort unten
erwartete. Wir hatten überhaupt keine Sicht.
Denise verla ngsamte etwas, und ich
fixierte den Höhenmesser, während wir hinuntergingen. Tausend
Fuß, dann fünfhundert. Man konnte nicht das geringste sehen
– absolut nichts –, und dann waren es nur noch zweihundert
Fuß, um uns herum Nebelschwaden, das Meer unter uns
schließlich undeutlich zu erkennen, schwacher Seegang, weshalb
uns Denise also in den Wind fallen ließ.
In jenen wenigen Augenblicken wurde
sie meiner Meinung nach zu einer wahrhaft großen Pilotin. Wir
schlugen auf dem Wasser auf, glitten über die Wellen und kamen
schließlich zum Stehen. Der Aufprall war ziemlich heftig gewesen,
aber sie hatte die Kabinentür im Nu offen.
»Nimm ihn mit«, rief sie noch und huschte dann schnell auf die Tragfläche.
Ich beugte mich vor, löste Duponts Sitzgurt
und schob ihn mit dem Kopf voran durch die Tür. Denise streckte
den Arm nach ihm aus, ließ sich von der Tragfläche ins
Wasser hinuntergleiten und zog ihn hinter sich her. Dann war ich an der
Reihe. Ich mußte an Statistiken über Landemanöver auf
See denken, die sie mir einmal gezeigt hatte. Im Durchschnitt dauerte
es neunzig Sekunden, bevor ein Flugzeug versank.
Denise hielt Dupont umklammert, und
die beiden trieben in ihren gelben Schwimmwesten davon. Als ich ihnen
folgte – die Maschine war bereits am Sinken, rief sie: »O
Gott, Tarquin ist noch da drin!«
Das sollte ich näher
erklären. Tarquin war ein Teddybär, und zwar ein ganz
besonderer. Wir haben ihn in Brighton in einem Antiquitätenladen
gefunden. Er trug die lederne Flugmütze der Royal Air Force aus
dem Zweiten Weltkrieg, dazu die passenden Stiefel und den blauen
Overall. Er trug auch noch das Abzeichen des Royal Flying Corps aus dem
Ersten Weltkrieg. Er hatte einen geheimnisvollen Gesichtsausdruck, was
alles andere als verwunderlich sei, wie uns der Händler
erklärte, da er mit seinem vormaligen Besitzer, einem
Kampfpiloten, wiederholt in die Luftschlacht um England eingegriffen
habe. Es war eine romantisch verklärte Geschichte, aber ich war
geneigt, sie zu glauben, und ich weiß, daß meine Frau sie
auf jeden Fall glaubte, denn schon rein äußerlich wirkte er
wie ein Bär, der in seinem Leben viel herumgekommen war und schon
einiges erlebt hatte. Wie dem auch sei, er wurde zu Denise' Maskottchen
und war stets an ihrer Seite, wenn sie flog. Es war also völlig
ausgeschlossen, ihn einfach zurückzulassen.
Wir hatten ihn ins Kabinenheck
gesetzt, in einer Einkaufstüte aus einem Supermarkt. Ich
zögerte keine Sekunde und wirbelte herum, langte nach dem Griff
der hinteren Kabinentür, öffnete sie und zog Tarquin aus der
Tüte heraus.
»Komm schon, Kumpel, wir gehen jetzt schwimmen«, sagte ich.
Gott, war das Wasser kalt. Es fühlte sich an
wie Säure, die sich in die Knochen fraß. Auf Dauer war das,
wie ich wußte, tödlich. Im Ärmelkanal ist das
Überleben ein Wettlauf gegen die Uhr, wie schon viele RAF- und
Luftwaffen-Piloten hatten bitter erfahren müssen.
Ich hielt Dupont und Tarquin fest
umklammert, und Denise wiederum hielt sich an mir fest.
»Großartige Landung«, sagte ich. »Bin
beeindruckt.«
»Ob wir jetzt sterben?«
sagte sie unsicher, während sie unfreiwillig Salzwasser schluckte
und nach Luft schnappte.
»Wohl kaum«, sagte ich. »Wirf mal einen Blick über deine Schulter.«
Hinter ihr tauchte gerade ein
RNLI-Rettungsboot der TyneKlasse wie irgendein seltsames Gespenst aus
dem Nebel auf. Die Besatzung stand in gelbem Ölzeug und
orangefarbenen Schwimmwesten an der Reling. Das Boot drehte bei, und
drei Männer sprangen ins Wasser.
Ein alter Mann, der sich gerade
über die Reling beugte, war besonders auffällig. Er hatte die
Achtzig bereits eindeutig überschritten, trug einen Vollbart und
hatte schlohweißes Haar. Als er sprach, war es dieselbe
kräftige Stimme, die wir schon über Funk gehört hatten.
Zec Acland. »Mein Gott, Sie haben's geschafft, Mädel.«
»Sieht ganz so aus«, rief Denise.
Man hievte uns an Bord – und
dann passierte etwas überaus Sonderbares.
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