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Der Fluss

Der Fluss

Titel: Der Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gary Paulsen
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Fluss ange schwemmt.
    Aber dann war der Weg zu Ende.
    Die Ufer waren jetzt flacher, der Fluss wurde breiter und führte durch Sümpfe und Seen; Brian merkte es daran, dass der Boden schlammig wurde. Mit jedem Schritt sank er tiefer ein. Er wandte sich nach links, näher zum Wasser heran, aber dichtes Gebüsch – wie ein Ur wald – hielt ihn zurück, dicke Ranken umklammerten seine Beine.
    Endlich erreichte er den Fluss wieder – nur um auch hier im Schlamm zu versinken. Es war sinnlos, am Ufer entlangzuwaten. Tief sanken seine Füße in den Schlamm, als er sich vorwärtszukämpfen versuchte. Nach ein paar Schritten hatte Brian einen Turnschuh im zähen Moder verloren, und als er sich bückte, um ihn zu suchen, schien der sumpfige Boden seine Hand in die Tiefe zu saugen.
    Er hatte den Schuh verloren und rettete sich stolpernd ans Ufer – und trotzdem wusste er, dass es nur eine Mög lichkeit gab, das Floß zu erreichen.
    »Ich werde schwimmen müssen!«
    Aber wie weit? fragte er sich. Wie lange?
    Egal, dachte Brian.
    Irgendwo dort unten war Derek, hilflos auf einem ver lorenen Floß.
    Brian musste versuchen, ihn einzuholen.
    Er warf den Kopf in den Nacken, zog auch den ande ren Schuh aus und warf ihn achtlos ins Gras. Die Hose behielt er an, weil sie nicht so schwer war. Mit ein paar Schwüngen stieß er sich vom sumpfigen Ufer ab, bis das Wasser ihn trug.
    Mit kräftigen Zügen begann er zu schwimmen. Aber schon bald spürte er seine Müdigkeit. Am ganzen Körper fühlte er sich zerschlagen und schwach. Und sein Kopf war noch immer benebelt vom wirbelnden Tanz durch die Stromschnellen.
    Aber es gab kein Zurück. Halb schwimmend, halb mit den Füßen stoßend, kämpfte er sich in der Nähe des Ufers den Fluss hinunter.
    Er musste das Floß einholen.

23
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    An diesem Nachmittag wuchs Brian über sich hinaus. Eine Kraft kam ihm zu Hilfe, von der er nicht gewusst hatte, dass sie in ihm steckte. Eine Kraft, die ihn völlig verwandelte.
    Nachdem er losgeschwommen war – nachdem der Schmerz und die Starre aus seinen Muskeln gewichen waren – , fing er an zu denken:
    Das Floß würde sich, falls es nicht hängen blieb, mit der Strömung bewegen. Auch Brian schwamm mit der Strömung. Aber hinzu kam das Tempo, mit dem er schwamm, und so konnte er rasch aufholen.
    Aber als er die erste Flussbiegung umrundete und das Floß nicht entdeckte; als er nach der nächsten Biegung – zweihundert Meter weiter – das Floß noch immer nicht sah, beschlich ihn die Angst.
    Nicht weit vom Ufer machte er Halt und richtete sich auf, so gut es der sumpfige Grund erlaubte. Er über blickte fast eine Viertelmeile des Flusses bis zur nächsten Biegung; aber da war kein Floß.
    Alle Muskeln in seinem Körper brannten wie Feuer. Er ließ sich wieder ins Wasser fallen und schwamm mit langsamen Zügen weiter, die Arme weit ausgreifend, während er sich mit den Füßen am Boden abstieß.
    Wieder machte der Fluss eine Biegung, und wieder eine und immer wieder suchte Brian mit panischen Bli cken nach dieser einsamen, reglosen Gestalt auf einem schwankenden Floß.
    Da war nichts.
    Es schien, als hätte der Fluss Derek verschluckt. Sechs Flussbiegungen durchmaß Brian, immer schneller schwamm er, in steigender Panik – aber da war kein Floß. Dieses dumme Floß, das in jeder Kurve beinahe hängen geblieben war, als er es zu steuern versuchte! Jetzt hatte es sich wohl boshafterweise in der Mitte der Strömung gehalten.
    Brian sah nichts als die grünen Mauern des Waldes zu beiden Seiten. Und immer höher ragten die Bäume, jetzt, da die felsigen Hügel hinter ihm lagen. Ihre Zweige wölb ten sich wieder wie ein Dach über den Fluss, wie ein grüner Tunnel, der Brian einschloss und niederdrückte. Am liebsten hätte er laut geschrien – aber stattdessen schwamm er geduldig weiter, immer weiter mit nie er lahmenden Zügen, bis es keine Grenze mehr gab zwi schen ihm und dem Wasser, bis seine Haut das Wasser war und das Wasser seine Haut, bis Brian selbst der Fluss war … Und das Floß erreichte.
    Fast wäre er daran vorbeigeschwommen.
    Brian zwängte sich gerade unter hängenden Weiden büschen hindurch, Gesicht unter Wasser, den linken Arm weit vorgestreckt. Als er den Kopf hob – sah er vor sich das Floß.
    Irgendwie hatte es alle Biegungen und alle Untiefen des Flusslaufs hinter sich gelassen – und war schließlich in einer schwachen Gegenströmung hängen geblieben. Dann war das Floß ins seichte Wasser einer Bucht abge drängt worden und

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