Der Frauenkrieg (German Edition)
Soldaten die Kleider zu wechseln, ließ Barrabas, welcher der Frau Prinzessin weniger bekannt war, als er, sein schönstes Gewand anziehen, nahm ihn mit sich und jagte auf der Straße nach Bordeaux fort. Sodann beschloß er, sich von dem Inhalt des Briefes, der Canolles unfehlbar die Freiheit verschaffen sollte, zu überzeugen.
Er öffnete das mit einem Wachssiegel verschlossene Schreiben und wurde von einem seltsamen, schmerzlichen Eindrucke ergriffen, als er las: »Frau Prinzessin, es bedarf eines Sühnopfers für den unglücklichen Richon; nehmt keinen Unschuldigen, nehmt die wahre Schuldige; Herr von Canolles soll nicht sterben, denn Herrn von Canolles töten, hieße einen Mord durch einen andern Mord rächen. In dem Augenblick, wo Ihr diesen Brief lest, habe ich nur noch eine Meile zurückzulegen, um mit allem, was ich besitze, nach Bordeaux zu gelangen; Ihr liefert mich dem Volke aus, das mich haßt, denn es wollte mich bereits zweimal erwürgen, und behaltet meine Reichtümer, die sich auf zwei Millionen belaufen. Oh! Madame, auf den Knien flehe ich Euch um diese Gnade an; ich trage zum Teil die Schuld an diesem Kriege; bin ich tot, so ist der Friede in der Provinz hergestellt, und Eure Hoheit triumphiert. Madame, eine Viertelstunde Frist! Ihr laßt Canolles nicht eher frei, als bis Ihr mich in Händen habt; aber dann, bei Eurer Seele, nicht wahr, dann laßt Ihr ihn frei?
»Und ich bin Eure ehrerbietige und dankbare Nanon von Lartigues.«
Cauvignac war, nachdem er diese Zeilen gelesen hatte, ganz erstaunt, als er sein Herz übervoll und seine Augen feucht fühlte. Er blieb einen Augenblick unbeweglich und stumm, als könnte er nicht an diese Worte glauben. Plötzlich aber rief er: »Es ist also wahr, es gibt auf dieser Welt edle Herzen, nur aus Vergnügen, so zu sein! Mord und Tod! man wird sehen, daß ich so gut wie jeder andere imstande bin, Edelmut zu üben, wenn es sein muß:« Und da er sich am Tore der Stadt befand, übergab er seinen Brief Barrabas mit der Weisung: »Auf alles, was man dir sagen wird, antworte nur: »Befehl des Königs!« und händige diesen Brief keiner andern Person als Frau von Condé selbst ein.«
Als Barrabas, dieser Weisung folgend, das prinzliche Gemach erreichte, blieb er still stehen, denn er befand sich einer Dame gegenüber, in der er die Frau Prinzessin erkannte und zu deren Füßen eine andere Frau lag. »Oh! Gnade, Hoheit, Gnade im Namen des Himmels!« rief diese.
»Claire,« erwiderte die Prinzessin, »laß mich, sei vernünftig, bedenke, daß wir unserer Eigenschaft als Frauen entsagt haben, wie wir unsern Kleidern entsagten; wir sind die Statthalter des Herrn Prinzen, und die Staatsräson befiehlt.«
»Oh! Madame, es gibt keine Staatsräson mehr für mich,« rief Claire, »es gibt keine politische Partei, keine Meinung für mich, er nur allein ist für mich in dieser Welt vorhanden, die er verlassen soll, und wenn er sie verlassen hat, gibt es für mich nur noch den Tod.«
»Claire, mein Kind, ich habe dir bereits gesagt, es sei unmöglich,« versetzte die Prinzessin; »sie haben uns Richon getötet, wenn wir ihnen nicht gleiches mit gleichem vergelten, sind wir entehrt.«
»Oh! Madame, man hat sich nie dadurch entehrt, daß man Gnade übte; man hat sich nie dadurch entehrt; ein Wort, Madame, ein einziges Wort, der Unglückliche erwartet es.«
»Claire, du bist toll, ich sage dir, es ist unmöglich. Es ist auch schon zu spät, um elf Uhr sollte alles vorüber sein.«
Die Vicomtesse stieß einen Schrei aus und erhob sich; als sie sich umwandte, stand sie Barrabas gegenüber.
»Wer seid Ihr? Was wollt Ihr?« rief sie; »kommt Ihr schon, um seinen Tod zu verkündigen?« – »Nein, Madame,« antwortete Barrabas mit seiner freundlichsten Miene, »ich komme im Gegenteil, ihn zu retten.«
»Wie dies, mein Gott?« – »Indem ich diesen Brief der Frau Prinzessin übergebe.«
Frau von Cambes streckte den Arm aus, entriß den Brief den Händen des Boten, überreichte ihn der Prinzessin und rief: »Ich weiß nicht, was dieser Brief enthält, aber im Namen des Himmels lest.«
Die Prinzessin öffnete den Brief und las ganz laut, während Frau von Cambes, bei jeder Zeile erbleichend, die Worte verschlang, wie sie von den Lippen der Prinzessin fielen.
»Von Nanon!« rief die Prinzessin, nachdem sie gelesen hatte. »Nanon ist hier! Nanon liefert sich aus. Wo ist Lenet? Wo ist der Herzog? Ist niemand da?« – »Ich bin da, bereit zu laufen, wohin Eure Hoheit
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