Der Frauenkrieg
hoffe nur noch aus Gott!«.
Und sie kehrte völlig niedergeschmettert in ihr Zimmer zurück.
Inzwischen gab die Prinzessin Befehl, die beiden Gefangenen, die im Range Richon gleichständen, dem Kriegsgericht vorzuführen und zwar zuerst den Gouverneur von Saint-George und sodann den von Branne.
Während in dem Saale, wo das Gericht tagte, ein erwartungs- und schreckensvolles Schweigen herrschte, machte Lenet einen letzten vergeblichen Versuch, die Prinzessin durch den Hinweis auf die möglichen Folgen für die Zukunft ihres Hauses zur Milde zu bewegen. Dann wandte er sich an den Herzog von Larochefoucault mit den Worten: »Herr Herzog, Ihr, der auf so hoher philosophischer Warte über den gewöhnlichen menschlichen Leidenschaften steht, werdet hoch zur Mäßigung raten?«
»Oh,« antwortete der Herzog heuchlerisch, »ich diskutiere die Sache in diesem Augenblick mit meiner Vernunft.«
»Beratet sie mit Eurem Gewissen, Herr Herzog, das wird besser sein!« entgegnete Lenet.
In dieser Sekunde vernahm man ein dumpfes Geräusch. Bald erschollen Tritte auf der Treppe, die Hellebarden klirrten auf den Steinplatten, die Tür wurde geöffnet, und Canolles erschien.
Nie hatte er so zierlich ausgesehen, nie war er so hübsch gewesen; sein heiteres Antlitz hatte die purpurne Blüte der Freude und der Unwissenheit beibehalten. Mit leichtem, ungezwungenem Gange trat er vor und begrüßte ehrfurchtsvoll die Prinzessin und die Herzöge.
Kurze Zeit schwieg die Prinzessin, von diesem Bilde frischer Schönheit und ritterlichen Anstands betroffen. Dann sagte sie: »Nähert Euch, mein Herr!«
Canolles gehorchte und verbeugte sich zum zweiten Male.
»Wer seid Ihr?« – »Ich bin der Baron Louis von Canolles.«
»Welchen Grad hattet Ihr im königlichen Heere?« – »Ich war Oberstleutnant.«
»Wart Ihr nicht Gouverneur der Insel Saint-George?« – »Ich hatte die Ehre.«
»Ihr habt die Wahrheit gesprochen?« – »In jeder Hinsicht, Madame.«
»So unterschreibt, mein Herr,« sagte die Prinzessin und ließ ihm das Protokoll dieser Fragen und Antworten vorlegen.
Canolles nahm die Feder und unterschrieb lächelnd, »Es ist gut, mein Herr,« sagte die Prinzessin. »Ihr könnt Euch nun zurückziehen.«
Canolles grüßte abermals seine edlen Richter und entfernte sich mit derselben Ungezwungenheit und Anmut.
Kaum hatte sich die Tür wieder hinter ihm geschlossen, als die Prinzessin aufstand und rasch fragte: »Nun, meine Herren?«
»Nun, Madame, stimmen wir ab,« sagte der Herzog von Larochefoucault.
»Stimmen wir ab,« wiederholte der Herzog von Bouillon.
Da erscholl mit Festigkeit und Nachdruck eine laute Stimme:
»Im Namen des Königs und besonders im Namen der Menschheit verlange ich, André Lavie, königlicher Anwalt und Parlamentsrat, für die in Bordeaux auf Ehrenwort zurückgehaltenen Gefangenen Privilegium und Sicherheit. Demzufolge spreche ich meine Meinung dahin aus...«
»Oh! oh! Herr Advokat,« entgegnete die Prinzessin, die Stirn faltend, »ich bitte, keinen Prozeßstil in meiner Gegenwart, den verstehe ich nicht. Die Sache, die uns beschäftigt, ist kein schmutziger, ärgerlicher Rechtsstreit; das wird wohl jedes Mitglied dieses Tribunals begreifen.«
»Ja, ja,« wiederholten im Chor die Schöffen und die Offiziere, »stimmen wir ab, meine Herren, stimmen wir ab!«
»Ich wiederhole,« rief Lavie, ohne, sich aus der Fassung bringen zu lassen, »ich verlange Privilegium und Sicherheit für die auf Ehrenwort zurückgehaltenen Gefangenen. Das ist kein Prozeßstil, es ist der Stil des Völkerrechts.«
»Und ich füge hinzu,« sagte Lenet, »man hat auch Richon gehört, ehe man ihn tötete, und die Gerechtigkeit fordert, daß wir die Angeklagten ebenfalls hören.«
»Und ich,« sagte d'Espagnet, der Bürgerführer, »ich erkläre, daß die Stadt sich morgen empört, wenn man mit dieser Milde zu Werke geht.«
Ein Murren vor dem Hause schien die Erklärung zu bestätigen. »Beeilen wir uns,« sagte die Prinzessin. »Wozu verurteilen wir den Gefangenen?«
»Die Gefangenen, Madame,« sagten einige Stimmen, »es sind ihrer zwei.«
»Einer genügt Euch also nicht?« sagte Lenet, verächtlich über diese blutige Kriecherei lächelnd.
Da erhob sich Lavie, empört über das rechtswidrige Verfahren und in der Erkenntnis, daß er durch sein Verbleiben den Gefangenen nur schaden könne, und verließ mit zorniger Gebärde und erhobener Stirn das Zimmer, indem er rief: »Im Namen Gottes protestiere ich gegen das, was
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