Der Fremde aus dem Meer
Fächer nach ihm, und er spielte ganz übertrieben den Verletzten, als sie in die Limousine kletterten.
Lachend klopfte Ramsey an das Kutschendach. Es gab einen Ruck, dann rollte das Gefährt aus dem Tor.
Penny lehnte sich in den Ledersitz zurück. »Es ist wunderbar, Ramsey. Ich danke dir.«
»Es ist mir ein Vergnügen, Liebste.« Das blaue Gewand zauberte einen sanften Schimmer auf ihre Haut. Oder war es das Leben, das in ihr heranwuchs? Ramsey lächelte. Ihre Locken waren aus dem Nacken gekämmt und kunstvoll um ihr Gesicht gelegt. Ihm wurde bewusst, dass er sie zum ersten Mal so sorgfältig frisiert sah. Dann fiel ihm auf, dass sie schon wieder an ihren Handschuhen herumzupfte.
»Hast du Angst?«
»Ja«, erwiderte sie offen.
Sie hatte Angst um ihn, aber das wollte sie ihm jetzt nicht sagen. »Ich habe das unwiderstehliche Bedürfnis, heute Abend eine Rolle zu spielen.«
»Aber?«
»Ich habe diese Bühne gerade verlassen und habe nicht die Absicht zurückzugehen.«
»Dann sei einfach du selbst.« Er nahm die Maske und hielt sie sich vors Gesicht. »Ramsey O’Keefe, Mylady, Kapitän der amerikanischen Fregatte Tritons Will. Zu Euren Diensten.« Er verbeugte sich leicht und nahm die Maske wieder ab.
Sie lachte leise und staunte über sein natürliches Schauspielertalent. »Und wer bin ich?«
»Penelope Hamilton Blackwell, verschollene Erbin, die ihr Geburtsrecht zurückfordert.«
Sie hielt ihren Kopf schräg. »Ich wäre lieber Penelope O’Keefe, Ehefrau und Mutter, und würde am liebsten den halben Tag zu Hause herumhängen.«
Ramsey blinzelte kurz, lachte und gab ihr noch schnell einen Kuss, bevor die Kutsche auf das Haus zufuhr. Der Weg war frei, und Ramsey klopfte an das Dach, woraufhin die Kutsche in die lange, von Fackeln erhellte Einfahrt einbog und mit Glockengebimmel vor der Menge zum Stehen kam.
»Nun, das ist in der Tat ein großer Empfang.«
Sie streckte die Hand nach dem Türgriff aus.
»Warte.« Er griff in seine Tasche, holte eine goldene Kette hervor und hielt sie hoch. Der tiefrosafarbene Diamant drehte sich vor ihren Augen. Sie begegnete seinem Blick, und er bedeutete ihr, sich umzudrehen.
»Wenn Phalon den erkennt, wird er völlig wahnsinnig werden«, sagte sie.
»Er ist ein Rothmere. Also wird er ihn bemerken.« Er hakte den Verschluss ein und küsste sie auf den entblößten Nacken. »Alexander wollte, dass du ihn bekommst.«
Sie warf einen Blick über ihre Schulter. »Wird er kommen, Ramsey?«
ln ihrer Stimme lag ein kindliches Flehen, und er hasste es, ihr das Herz zu brechen. »Es wäre eine große Erniedrigung für ihn, als Gast in sein Haus zu kommen.«
Sie nickte und starrte auf ihren Schoß. Oh, Dad, wie muss dich das verletzen, dachte sie, als Ramsey sie leicht an sich drückte. Der Lakai ließ die Tür aufschwingen und stellte ein hölzernes Trittbrett vor den Ausstieg. Zuerst verließ Ramsey die Kutsche. Die Zuschauer kreischten so laut, dass er ihnen einen verwunderten Blick zuwarf, bevor er sich umwandte, um Penny beim Aussteigen behilflich zu sein. Die Menschenmenge gebärdete sich wie wild. Blitzlichter flammten auf, strahlende Lichter erhellten die ganze Umgebung, als sie der Kutsche entstieg.
Lächelnd winkte sie der Menge zu. Dann wandte sich ihre Aufmerksamkeit der bogenförmig überwölbten Eingangstür aus festem Eichenholz zu, die weit offen stand für die Gäste dieses Abends. Das Haus sah aus wie ein spanisches Schloss in gotischem Stil, mit gewundenen schmiedeeisernen Balkons und Spitzbögen über den Fenstern und Zinnen, die das Dach schützten. Fast erwartete sie, Gewehrläufe oder Pfeilspitzen zu erspähen, die über den Zinnenrand lugten. Über dem Eingang und entlang der Treppe waren Efeuzweige angebracht, in denen Blütendolden in Blau, Purpur und Magentarot leuchteten. Golden schimmernde Bänder bildeten einen lebhaften Kontrast zu dem natürlichen Grün der Pflanzen. In der Luft hing ein köstlicher Duft, und Penny stellte sich vor, wie es wohl wäre, hier mit Ramsey zu leben.
»Oh, Ramsey, ich habe vergessen, wie schön dieses Haus wirklich ist.«
»Bist du jemals ins Innere des Hauses eingeladen worden?« Sein Augenzwinkern bedeutete bei Tageslicht und war eine Anspielung auf ihr Abenteuer am Vorabend.
Sie sah ihn entsetzt an. »Machst du Witze? Ich? In ihr Haus?«
Ramsey beugte sich näher zu ihr und gab ihr die Maske. »Es ist das Haus deiner Familie, Penelope. Deiner Vorfahren.«
Penny starrte auf das herrschaftliche Gebäude und
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