Der Fruehe Vogel Kann Mich Mal
Schnitt benötigt der Mensch hierzulande acht Stunden Schlaf, um sich beim Aufstehen wach zu fühlen. Er schließt in der Regel eine Viertelstunde nach Mitternacht die Augen und wacht um 8.15 Uhr morgens auf. Dieser Typus könnte auch als Normtypus bezeichnet werden.
Till Roenneberg leitete die am breitflächigsten angelegte Studie zu Chronotypen weltweit. Mittels eines Fragebogens, den er mit seiner Münchener Kollegin Martha Merrow und der Baseler Schlafforscherin Anna Wirtz-Justice entwickelt hat, hat er die Antworten von etwa 50 000 freiwilligen Teilnehmern ausgewertet – und fasst zusammen: Durch die Welt der Schläfer zieht sich keineswegs ein unüberbrückbarer Graben zwischen Eulen und Lerchen. »Die Verteilung der Chronotypen ist ähnlich wie die Verteilung der Körpergrößen in der Bevölkerung. Es gibt sehr wenige extrem kleine oder extrem große Menschen, während die meisten Menschen in der Mitte der Verteilung liegen.« [18]
Um diese Verteilung genau zu ermitteln, war es erst einmal nötig, das Schlafverhalten der Einzelnen entsprechend zu kategorisieren. Roenneberg erläutert: »Lassen Sie uns drei Beispiele betrachten. Person A schläft von 22 bis 6 Uhr, Person B von 22 bis 8 Uhr und Person C von Mitternacht bis 6 Uhr. Wenn die Schlafzeit durch den Schlafbeginn definiert würde, wären A und B der gleiche Typ, würde sie dagegen über das Schlafende definiert, fielen A und C in die gleiche Kategorie.« [19] Die Problematik, die richtigen Schubladen für die einzelnen Schlaftypen zu finden, beruht darauf, dass Schlaf eben nicht nur von der Schlafzeit abhängt, sondern auch von der Schlafdauer, und darin unterscheiden sich die drei Typen: A schläft acht, B zehn und C nur sechs Stunden. Aus diesem Grund haben Roenneberg und sein Team die Kategorie der Schlafmitte definiert. Mit diesem Fixpunkt lassen sich die unterschiedlichen chronobiologischen Typen am besten bestimmen. Ein Beispiel: Die Schlafmitte einer Durchschnittslerche, die um 22 Uhr zu Bett geht und um 6 Uhr aufsteht, liegt bei 2 Uhr. Dieser Wert kommt zustande, indem man die Schlafdauer (in diesem Fall: acht Stunden) halbiert (vier Stunden) und zum Zeitpunkt des Einschlafens hinzuaddiert (22 Uhr plus 4 Stunden = 2 Uhr). Bei einer Durchschnittseule, die um 1 Uhr ins Bett geht und acht Stunden später um 9 Uhr aufsteht, läge nach gleicher Formel die Schlafmitte bei 5 Uhr. Mit diesem Schema lassen sich aber auch Kurzschläfer einordnen. Geht jemand beispielsweise um Mitternacht zu Bett und steht um 6 Uhr auf, dann liegt seine Schlafmitte bei 3 Uhr. (Ausschlaggebend war natürlich das Schlafverhalten an freien Tagen, an denen die Testpersonen so lange oder so kurz schlafen konnten, wie sie wollten.)
Das Ergebnis: Die wenigsten, die morgens nur schwer aus dem Bett kommen, sind außergewöhnliche Langschläfer – denn für Roenneberg gelten als Spättypen erst diejenigen, die bis 9.30 Uhr schlafen. Normaltypen schlafen zwischen Mitternacht und eins ein und wachen acht Stunden später wieder auf. Hardcore-Langschläfer stehen erst um 13 Uhr auf, sind dafür aber auch erst um 5 Uhr zu Bett gegangen – wenn Extremlerchen bereits aus dem Bett springen und ihre morgendliche Routine erledigen – wahrscheinlich sogar ohne Kaffee.
Während ein Frühaufsteher ungefähr zwischen 9 Uhr morgens und 12 Uhr mittags die beste Zeit hat, um sich zu konzentrieren und schwere Aufgaben zu bewältigen, wissen Langschläfer grob gesagt zu diesem Zeitpunkt gerade einmal, wie sie heißen und wo sie wohnen. Ihre Konzentrations- und Leistungsfähigkeit muss erst noch warmlaufen, denn ihre hohe Zeit ist am Nachmittag gegen 15 Uhr – also dann, wenn die Frühaufsteher bereits rapide abbauen und oft versuchen, sich mit Kaffee und Schokoriegeln zu dopen. Ihr Schlafdruck steigt, und sie sehnen sich dem Feierabend entgegen. Eulen dagegen tauen auf und können den Nachmittag nutzen, um Dinge, für die ihnen morgens der Antrieb fehlte, leichter und mit Schwung zu erledigen. Es ist ihre persönliche Primetime. Und während bei Lerchen nach der Tagesschau der Anstieg des Melatoninpegels signalisiert, sich bettfein zu machen, haben Eulen noch ein paar Stunden Zeit für Freunde und Feste, bis ihnen ihr Körper ebenfalls durch ein Absinken der Körpertemperatur und eine Ausschüttung des Hormons Melatonin zu erkennen gibt, dass es Zeit ist, sich schlafen zu legen …
Was bedeuten diese Erkenntnisse für eine Gesellschaft, die dem Frühtyp Vorteile verschafft und den
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