Der Fruehe Vogel Kann Mich Mal
regelmäßig sich hinlegen und nicht bewegen – verarbeiten, um sich zu synchronisieren, aber es gelingt ihnen nicht. Die innere Uhr von Blinden läuft frei. Im Mittel ist sie jeden Tag eine Stunde später dran, das heißt, sie werden alle 24 Tage zum Nachtschichtarbeiter. Nur für Sehende gibt es noch weitere Zeitgeber. Aber diese wirken alle indirekt auch über Licht. Wenn ich zum Beispiel jeden Abend um 22 Uhr das Licht lösche und es jeden Morgen um acht Uhr wieder anknipse, um zur Arbeit zu gehen, dann sind das zwar soziale Faktoren, aber sie funktionieren letztlich über das Licht.«
Tickt die innere Uhr bei allen Menschen gleich?
»Wer gesund ist, dem gelingt es, seinen persönlichen Rhythmus mit der 24-Stunden-Periodik zu synchronisieren. Allerdings gibt es große Unterschiede, wann sich die innere Uhr eines Individuums in den Tag-Nacht-Rhythmus ›einbettet‹. Man kann das gut an den Zeiten des Einschlafens und Aufwachens erkennen, wenn diese nicht durch Wecker oder andere soziale Verpflichtungen bestimmt werden: Es gibt Menschen, die freiwillig früh aufstehen und das ganz normal finden – die Frühtypen –, und es gibt Menschen, deren innere Uhr zwar auch im 24-Stunden-Rhythmus tickt, aber später dran ist, so dass sie länger aufbleiben und in den Tag hinein schlafen können – die Spättypen. Extreme Spättypen gehen dann zu Bett, wenn extreme Frühtypen bereits aufstehen. Die meisten Menschen gehen ohne soziale Verpflichtungen zwischen Mitternacht und ein Uhr ins Bett und stehen zwischen acht und neun Uhr auf. Die Verteilung dieser Chronotypen in der Gesamtbevölkerung ähnelt einer sogenannten Glockenkurve, mit einer Tendenz zum Spättypen.«
Aber das Licht ist ja für alle gleich. Wieso gibt es dann Frühtypen und Spättypen?
»Da die innere Uhr und ihre genauen Eigenschaften von vielen Genen abhängen, tickt sie bei jedem ein wenig anders. Wenn man Frühtypen in eine Bunker-Isolation versetzt, laufen deren innere Uhren schneller als die von Spättypen. Im richtigen Leben müssen sie aber alle genau 24 Stunden laufen. Diese Synchronisation kann nur das Licht erreichen, wobei Morgenlicht die innere Uhr vorstellt, während sie vom Abendlicht auf ›später‹ gestellt wird. Um ihre ohnehin schnelle innere Uhr nicht auf einen noch früheren Aufwachpunkt einzustellen, müssen die Menschen mit schnellen inneren Uhren morgens früh aufstehen, damit sie noch Dunkelheit in ihren inneren Morgen bekommen und dafür abends mehr Licht abkriegen. Das sind dann die Frühtypen. Menschen mit langsamen inneren Uhren müssen genau das Gegenteil machen, um einen genauen 24-Stunden-Rhythmus zu erreichen. Das sind dann die Spättypen.«
Das erklärt noch nicht, warum es überhaupt verschiedene Chronotypen gibt.
»Das ist wie bei allen anderen genetischen Eigenschaften: Keiner gleicht dem anderen. Es ist ein Gesetz der Evolution, sich auf alle möglichen Eventualitäten einzurichten. Es gibt große und kleine Menschen, weil jeder von ihnen in bestimmten Situationen einen Vorteil hat.«
Worin bestehen die Vorteile eines Spättypen in einer Welt, in denen die Kernarbeitszeiten zwischen 8 und 16 Uhr liegen und in der eine Moral regiert, die den frühen Vogel huldigt?
»Er hält länger durch, weil sich sein Schlafdruck langsamer aufbaut. Wir glauben, dass das auch der Grund ist, warum besonders Jugendliche zum Spättypus tendieren. Man braucht in dieser Lebensphase besonders viel Durchhaltevermögen. Das mag auch seine Ursache im Zusammenleben mit der Sippe haben, als man nachts auf Jagd ging und sich junge Menschen durch Jagdglück einen Vorteil verschaffen konnten. Die extremen Spättypen haben oft große Schwierigkeiten, morgens rechtzeitig wach zu werden. Sie gelten als faul, aber künstlerisch. Die extremen Frühtypen werden am Abend früh müde und können am sozialen Leben nicht mehr teilnehmen. Sie gelten als langweilige Pedanten. Beides ist nicht richtig, es sind einfach nur verschiedene Zeittypen. Spättypen werden an Arbeitstagen morgens durch den Wecker geweckt, ihre innere Uhr lässt sie aber abends nicht früh genug einschlafen, um ausreichend Schlaf zu bekommen. Frühtypen werden vor allem an Abenden vor freien Tagen durch die Spättypen in unserer Gesellschaft am Einschlafen gehindert, werden dann aber morgens durch ihre innere Uhr geweckt und bekommen so auch oft zuwenig Schlaf.«
Welche Nachteile hat ein Leben gegen die innere Uhr?
»Frühtypen haben mit den traditionellen sozialen Zeiten des Alltags,
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