Der Fruehe Vogel Kann Mich Mal
mit der Feinabstimmung haben?
Antwort auf diese und andere Fragen rund um die innere Uhr gibt Till Roenneberg. [17] Er ist Leiter des Zentrums für Chronobiologie am Institut für Medizinische Psychologie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und gilt als einer der ersten und führenden Forscher auf diesem Gebiet weltweit.
Eine innere Uhr – was ist das eigentlich?
Roenneberg: »Innere Uhren repräsentieren jeweils einen der vier Zeiträume, die in der Ökologie unserer Erde vorkommen. Das sind Ebbe und Flut mit 12,5 Stunden, der Tag mit 24 Stunden, der Mondmonat mit 28,5 Tagen und das Jahr mit 365 Tagen. Welcher Zeitraum von Bedeutung ist, hängt vom Lebewesen ab. Für den Menschen sind nur der Tag-und-Nachtrhythmus und der Jahreszyklus relevant.«
Was ist die Aufgabe der inneren Uhr?
»Sie koordiniert alle biologischen Vorgänge und garantiert, dass bestimmte Abläufe in den Zellen und Organen zur richtigen Tageszeit stattfinden. Das kann sie nur, wenn sie auch ohne die äußeren Signale ungefähr im 24-Stunden-Rhythmus weitertickt. Da der innere Tag in zeitlicher Isolation nicht genau 24 Stunden lang ist, nennt man sie auch ›circadiane Uhr‹. Sie ermöglicht es, Voraussagen zu treffen und zu planen, auch wenn der Organismus keine zeitlichen Informationen von außen bekommt, wie etwa über das Licht oder den Radiowecker. Alle Lebewesen haben im Laufe der Evolution eine circadiane Uhr entwickelt.«
Warum ist der Tag-und-Nachtrhythmus für den Menschen wichtig?
»Um das zu verstehen, muss man zurückdenken. In der Evolution sind zwei Dinge relevant: Ressourcen und Gefahren – und die sind alle auch tagesrhythmisch. Dies können bestimmte Pflanzen sein, die nur morgens ihre Blüten öffnen, oder Fressfeinde, die nur abends angreifen. Jeder Organismus kann also sein Verhalten optimieren, wenn er seinen inneren Tagesablauf mit dem Tag- und Nachtrhythmus synchronisiert, und das kann er nur, wenn er eine innere Uhr besitzt.«
Gibt es noch andere biologische Rhythmen?
»Ja, wie zum Beispiel Atem- oder Herzrhythmus – die nennt man ultradian, also kürzer als ein Tag. Oder mehrjährige Rhythmen, in denen manche Bäume blühen oder Insekten schlüpfen – die nennt man infradian. Da viele dieser Rhythmen jedoch keinem ökologischen Zeitraum entsprechen, werden sie nicht von der Chronobiologie erforscht. Dennoch gibt es kaum eine Stoffwechsel- und Körperfunktion, die nicht durch die Tagesrhythmik bestimmt wird. Auch der Blutdruck und die Körpertemperatur unterliegen der Tag-Nacht-rhythmik; Letztere hat ihren Tiefpunkt in der Nacht und wiederholt ihre Periodik stur im 24-Stunden-Rhythmus. Besonders Schichtarbeiter bekommen zu spüren, wenn der Tag-Nacht-Rhythmus und die Körpertemperatur nicht synchron sind: Nachts ist man kälter, daher friert man weniger leicht. Erst, wenn morgens die Temperatur wieder hochgeschraubt wird, fängt man bei Übermüdung an zu frieren. Ebenso folgen das An- und Abschalten von Genen, die Ausschüttung von Hormonen, der Kaliumspiegel und die Regulierung von Körperflüssigkeiten einem strengen Tagesrhythmus: Die Nieren geben insbesondere morgens Wasser ab.«
Wo befindet sich die innere Uhr?
»Die innere Uhr sitzt eigentlich in jeder Zelle unseres Körpers, sie hat jedoch ein Zentrum, das in der Medizin ›Nucleus suprachiasmaticus‹ (SCN) heißt und einige Zentimeter hinter dem Nasenrücken im Gehirn liegt – dort, wo sich die Sehnerven kreuzen. Die Master-Clock im SCN kann sich über Signale aus den Augen mit dem Licht-Dunkel-Wechsel synchronisieren und gibt ihr zeitliches Wissen an alle anderen circadianen Uhren im Körper weiter.«
Durch was wird diese innere Uhr gestellt?
»In der Wissenschaft nennt man das Signal, das den circadianen Rhythmus einstellt, Zeitgeber. Der wichtigste Zeitgeber für alle Organismen ist Licht, genaugenommen der Wechsel von Tag und Nacht – das gilt auch für die innere Uhr des Menschen. Dieses Signal wird über den Sehnerv an die dahinter liegende Master-Clock weitergeleitet. Von dort aus werden Signale im Körper reguliert. Die Ausschüttung des Hormons Melatonin etwa plant den Einschlafzeitpunkt voraus, die Ausschüttung des Hormons Cortisol den Zeitpunkt des Aufwachens.«
Gibt es noch weitere Zeitgeber wie beispielsweise Hunger oder Körpertemperatur?
»Nein. Das haben Beobachtungen an Menschen gezeigt, die vollständig blind sind. Deren Körper würde naturgemäß jeden Impuls – regelmäßig zur Arbeit gehen, regelmäßig essen,
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