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Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Titel: Der Fuenf-Minuten-Philosoph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Benedict
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Religionsphilosoph Martin Buber (1878–1965) sagte: »Im Anfang war Beziehung«, woraus folgt: »Alles wirkliche Leben ist Begegnung.«
War ich vor meiner Geburt jemand anders?
    Für Hindus und Buddhisten ist dies die bedeutungsschwerste Frage des Lebens. Die Anschauungen, an die sie rührt, sind so alt und tiefgründig, dass wir gut daran tun innezuhalten und sie zu ergründen.
    Wenn wir vor unserer Geburt schon einmal lebten und nach unserem Tod wiedergeboren werden, durchlaufen wir eine Art Zyklus. Für diesen Kreislauf aus Geburt, Tod und Wiedergeburt prägten die Buddhisten den Begriff Samsara, ein Wort aus dem Sanskrit, das »reisen« bedeutet. Brechen wir aus diesem Kreislauf der Existenzen aus, erlangen wir das Nirwana – wörtlich das »Erlöschen« oder die »Erleuchtung« – und treten ein in eine völlig neue Seinsart, die das letzte Ziel unserer Reise ist. Im Kreislauf festgehalten werden wir dagegen durch Habgier, unsere Bindung an »Dinge« und das Streben nach rein materieller und vergänglicher Befriedigung. Wir jagen Trugbildern hinterher und begehen in jeder Lebenslage den Fehler, uns ins »Karma« zu verstricken, ein Begriff, der unser »Wirken« oder unsere »Tat«, aber ebenso unsere Absichten meint. Alles, was wir denken, tun und sagen hat eine Konsequenz, insofern es immer Anstoß gibt. So häufen wir alle ein persönliches Karma, die Gesamtsumme von Absichten, an, erschaffen uns neu und entwickeln uns so beständig weiter. Wenn wir wissen wollen, wer wir vor unserer Geburt waren, gibt uns ein Blick auf unser jetziges Sein einen Hinweis. Und ebenso kann uns die Betrachtung dessen, was wir in der Jetztzeit denken und tun, einen Anhaltspunkt im Hinblick auf unsere künftige Existenz geben.
    Es wäre unklug, diese Deutung der Reise des Lebens als eine Form von Fatalismus aufzufassen, wonach unser Lebensweg durch unser früheres Verhalten, das unser Karma ausmacht, endgültig vorherbestimmt sei. Das Karma will uns nicht für Unrecht oder Leid die Verantwortung aufbürden, sondern aufzeigen, dass auf jede Aktion eine Reaktion folgt und wir so echte Kontrolle über unser Leben haben. Da wir uns als Wesen weiterentwickeln, müssen wir uns verändern. Und diese Veränderungen bringen wir mit eigenen Entscheidungen auf den Weg.
    Es gibt dokumentierte Berichte von Menschen, die Kenntnis von einer früheren Existenz haben. Während viele Einblicke in ein vormaliges Leben erhalten zu haben scheinen, halten die meisten von uns dies schlichtweg für unmöglich. Nach denhinduistischen und buddhistischen Überlieferungen, welche die spannende Vorstellung der Wiedergeburt aufbrachten, können wir unter anderem durch Meditationspraxis in Erfahrung bringen, wer wir vor unserer Geburt waren. Innere Versenkung soll in uns die Erinnerung an eine frühere Lebenszeit wiedererwecken.
Was ist das Ich?
    Wenn wir an ein »Ich« denken, machen wir uns gewöhnlich unsere Identität und die Eigenschaften bewusst, die uns von anderen unterscheiden. Demnach bestünde unser Ich aus dem, was unsere Einzigartigkeit ausmacht. Was es damit auf sich hat, werden wir später erörtern. Die Frage nach dem Ich ist ein zentrales Thema in der Psychologie. Für Sigmund Freud ist das »Ich« – im Englischen mit ego wiedergegeben – jene Instanz unserer Psyche, die wir bewusst von sämtlichen anderen Aspekten der Welt unterscheiden. Das Ich kontrolliert das Denken und Verhalten, unsere bewusste Wahrnehmung, unsere Vernunft und unseren gesunden Menschenverstand, die uns in Kombination miteinander Kontakt zur äußeren Realität halten lassen. Das »Selbst« dagegen ist für Carl Gustav Jung ein Archetypus – eines der angeborenen Vorstellungsmuster, die aus der vergangenen kollektiven Erfahrung der Menschheit stammen. Sind die »Große Mutter« und der »Held« weitere Beispiele für Archetypen, so ist das Selbst eine einheitliche Kombination aus dem Bewussten und dem Unbewussten, zu dessen Erkenntnis wir durch »Individuation«, wie Jung diesen Prozess nennt, gelangen. Das Selbst ist das Verschmelzen sämtlicher unterschiedlicher Aspekte der eigenen Zusammensetzung zu einem Ganzen, die »Unteilbarkeit der Persönlichkeit«, wie Alfred Adler (1870–1937) sie nennt, oder auch, für Jung, die Steuerungszentrale der Psyche.
    Die Frage nach dem Ich trieb auch die Philosophen um. Platon setzte das Ich der Seele gleich. Für René Descartes wares –   mit seinem berühmten Ausspruch »Ich denke, also bin ich« – der Kern der bewussten

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