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Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Der Fuenf-Minuten-Philosoph

Titel: Der Fuenf-Minuten-Philosoph Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerald Benedict
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jeweils anderes Ich. Wenn wir trauern, versucht das Ich Abstand zu gewinnen, um den seelischen Schmerz zu lindern. Wenn es beschämt oder verletzt wird, zieht es sich in sich zurück, bis wir die Ursache objektiv angehen können. Andere Ichs kommen zum Vorschein, wenn wir glücklich sind, gelobt werden oder Angst bekommen. Wenn wir unsere Erfahrungen durchleben, blicken wir gleichsam in ein Kaleidoskop der Gefühle, in dem sich ein immer neues Ich zeigt: das selbstbewusste, das fragende, das rationale oder das intuitive. Alle Ichs sind natürlich Teil von ein und derselben Person, aber verschiedene Aspekte unseres essenziellen Ich. Die mannigfaltigen Ichs erfüllen unterschiedliche Aufgaben, und wir stützen uns auf sie, weil uns die Erfahrung gelehrt hat, dass wir mit den beständigen Veränderungen in unserem Leben so am besten fertigwerden. Komplizierter wird die Lage, wenn wir unsere verschiedenen Potenziale betrachten. Die meisten Menschen sind Multitalente, verfügen aber wegen Entscheidungen, die sie häufig schon sehr früh trafen, nicht mehr über das volle Spektrum ihrer Möglichkeiten. Ein und dieselbe Person hätte mit Erfolg ganz verschiedene Laufbahnen einschlagen können, die ihr »Ich« jeweils ganz unterschiedlichgeprägt hätten. Durch die Entscheidungen tritt ein Ich als dominant hervor, wobei aber auch die anderen bestehen bleiben und zeitweilig wieder die Bühne betreten. Für unser Glück wichtig ist, dass wir den Weg wählen, der unser innerstes oder eigentliches Ich am umfassendsten verwirklicht. Die Schweizer Psychiaterin Elisabeth Kübler-Ross (1926–2004), die Pionierin auf dem Gebiet der »Nahtoderfahrung«, betonte das innere Ich als Priorität. Nicht das Ende des physischen Daseins solle uns Sorge bereiten. Vielmehr sollten wir uns darum kümmern zu leben, solange wir leben, um unser inneres Ich vor dem spirituellen Tod zu schützen, der uns dann drohe, wenn wir uns hinter einer Fassade verschanzten, um uns an äußere Festlegungen darüber anzupassen, wer und was wir sind.
Können wir uns wirklich selbst erkennen?
    Während sich das Ich nur schwer klar definieren lässt, bestimmt die Selbsterkenntnis den Kern der Diskussion – als ein Schlüssel zum Verständnis vieler Aspekte des Wissens. In manchen Regionen der Welt ist dies anders. So verfolgt der Buddhismus in der Auseinandersetzung mit dem Ich und der Selbsterkenntnis einen völlig anderen Ansatz: Unser Empfinden eines persönlichen, individuellen Ichs, so die Lehre, sei reine Illusion. Dagegen vertreten die biblischen Religionen ein sehr klares Konzept vom Ich, das so dominant sei, dass es zwischen uns und Gott eine Barriere lege: Um Gott zu »finden«, müssen wir unser »Selbst« verlieren. Zwischen diesen Sichtweisen leiten zahlreiche weitere Lehren ihre Anhänger dazu an, ihr »wahres Ich« zu erkennen oder zu entdecken. Dieses essenzielle Ich liege in einem Leben der Konditionierung unter Schichten von Eindrücken, Vorstellungen, Annahmen, Überlegungen, Philosophien, Abneigungen, Vorlieben und Diskriminierungen verborgen. Die Suche nach unserem wahren Ich, die »Selbstaktualisierung«, wie existenzialistische Psychologen sie nennen, sei so, wie wennman eine Zwiebel häutet oder von einer Wand mehrere später aufgetragene Farbschichten entfernt, um die ursprüngliche freizulegen. Obwohl uns weder die Literatur noch Zeugenaussagen verraten, wie unser wahres Ich aussieht, so soll die Erkenntnis dieses wahren Selbst doch die unabdingbare Voraussetzung dafür sein, dass wir unsere Talente entfalten und unser Potenzial ausschöpfen können. Unser Bild von uns selbst hat sicherlich einen beträchtlichen Einfluss auf unsere Lebensführung, wobei aber der Eindruck, den wir von uns selbst haben, von dem, den wir auf andere machen, deutlich abweichen kann.
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    »Selbsterkenntnis ist dem Menschen zueigen, der seinen Leidenschaften volles Spiel lässt, aber über deren Ergebnisse nachdenkt.«
    Benjamin Disraeli (1804–1881)
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    Alltäglicher betrachtet, müssen wir über uns selbst so viel wie nur möglich wissen. In gewissem Sinne trägt alles, was wir lernen, zu unserer Selbsterkenntnis bei, wie der amerikanische Philosoph Ralph Waldo Emerson (1803–1882) in seinen ›Tagebüchern‹ notierte: »Wohin wir auch gehen, was wir auch tun, das Ich ist das einzige Subjekt, das wir studieren und erfahren.« Und hier erwartet uns denn ein beachtlicher Lehrplan. Neues über uns selbst lernen wir nur, wenn wir neue Erfahrungen

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