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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coelho
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selbst getäuscht und wegen Nichtigkeiten gelitten hast. Wenn du ein guter Krieger bist, wirst du dich deswegen nicht schuldig fühlen. Aber du wirst denselben Fehler nicht noch einmal machen.«
    Elia hielt inne. Ein Junge in dem Alter konnte unmöglich verstehen, was er sagte. Sie schlenderten weiter, und Elia betrachtete die Straßen der Stadt, die ihn aufgenommen hatte und jetzt kurz vor dem Untergang stand. Alles hing nur von ihm ab.
    Akbar war stiller als gewöhnlich. Auf dem Hauptplatz redeten die Leute nur leise miteinander, als fürchteten sie, der Wind könnte ihre Worte bis zum Lager der Assyrer tragen. Die älteren versicherten, daß nichts geschehen würde, die jungen waren von der Aussicht auf einen Kampf erregt, die Kaufleute und Handwerker erwogen, nach Tyrus oder Sidon zu gehen, bis sich die Lage beruhigt hätte.
    >Sie können einfach weggehen<, dachte er. >Kaufleute können ihre Güter an jeden beliebigen Ort der Welt bringen. Handwerker können sogar dort arbeiten, wo man eine fremde Sprache spricht. Ich jedoch brauche die Erlaubnis des Herrn.<
    Sie gelangten zum Brunnen und füllten zwei Krüge mit Wasser. Für gewöhnlich war dieser Ort voller Menschen. Die Frauen kamen hier zum Waschen, Stoffefärben und Klatschen zusammen. Kein Geheimnis konnte gewahrt bleiben, wenn es in die Nähe des Brunnens kam. Neuigkeiten über den Handel, Familienfehden, Streitigkeiten unter Nachbarn, das Privatleben der Regierenden, alle ernsthaften und nichtigen Dinge wurden hier diskutiert, kommentiert, kritisiert oder mit Beifall bedacht. Das feindliche Heer vor den Toren der Stadt wurde größer und größer, doch das Haupt- und Lieblingsthema blieb Prinzessin Isebel, die den König von Israel erobert hatte. Man pries ihre Kühnheit, ihren Mut, und alle Frauen waren sich einig, daß Isebel sofort in ihre Heimat zurückkehren und sie rächen würde, wenn Akbar in Bedrängnis geriete.
    An jenem Morgen jedoch war der Platz um den Brunnen fast leer. Die wenigen Frauen, die gekommen waren, meinten, man müsse jetzt auf die Felder gehen und soviel Getreide wie möglich ernten, weil die Assyrer in Kürze die Ein- und Ausgänge der Stadt schließen würden. Zwei von ihnen planten sogar eine Wallfahrt zum Fünften Berg, wo sie den Göttern Opfer darbringen wollten - sie wollten nicht, daß ihre Söhne in der Schlacht stürben.
    »Der Priester hat gesagt, wir könnten viele Monate lang standhalten«, meinte eine zu Elia. »Wir müssen nur den nötigen Mut haben, um die Ehre Akbars zu verteidigen, dann werden uns die Götter helfen.«
    Der Junge erschrak.
    »Wird der Feind angreifen?« fragte er.
    Elia gab keine Antwort. Es hing von der Entscheidung ab, vor die ihn der Engel in der Nacht gestellt hatte.
    »Ich habe Angst«, sagte der Junge mit Nachdruck.
    »Das zeigt, daß du das Leben liebst. Es ist normal, in bestimmten Augenblicken Angst zu haben.«
    Elia und der Junge kehrten noch vor Ende des Vormittages nach Hause zurück. Die Frau hatte viele kleine Gefäße mit verschiedenfarbiger Tinte um sich herum.
    »Ich muß arbeiten«, sagte sie, indem sie auf die Buchstaben blickte. »Wegen der Dürre ist alles staubig. Die Pinsel verschmutzen, die Tinte vermischt sich mit dem Staub, und das Schreiben wird mühsam.«
    Elia schwieg. Er wollte ihr seine Sorgen nicht aufbürden. Er setzte sich in eine Ecke des Raumes und versank in Gedanken. Der Junge ging hinaus, um mit seinen Freunden zu spielen.
    »Er braucht Ruhe und Stille«, sagte die Frau zu sich, und versuchte sich auf ihre Arbeit zu konzentrieren.
    Sie verbrachte den Rest des Vormittages damit, einige Wörter zu Ende zu schreiben, für die sie sonst nur halb so lange brauchte, und fühlte sich schuldig, weil sie doch jetzt zum ersten Mal Gelegenheit hatte, für ihre Familie aufzukommen.
    Sie widmete sich wieder ihrer Arbeit. Sie benutzte Papyrus, das ihr ein Kaufmann kürzlich aus Ägypten mitgebracht hatte, damit sie ihm einige Mitteilungen aufschrieb, die er nach Damaskus schicken wollte. Das Blatt war nicht von bester Qualität, und die Tinte zerfloß. >Trotzdem ist es besser, als auf Ton zu zeichnen.<
    In den Nachbarländern war es üblich, für Botschaften Tontafeln oder Tierhäute zu verwenden. Obwohl Ägypten jetzt unbedeutend und seine Schrift überholt war, war dort einst ein praktischer und leichter Schriftträger für Handels- und Geschichtsaufzeichnungen erfunden worden. Die Papyruspflanze, die am Nilufer wuchs, wurde in Streifen geschnitten und diese dann so

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