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Der fuenfte Berg

Der fuenfte Berg

Titel: Der fuenfte Berg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Coelho
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verarbeitet, daß ein leicht gelbliches Blatt entstand. Akbar mußte Papyrus einführen, weil man die Pflanze im Tal nicht anbauen konnte. Papyrus war teuer, doch die Kaufleute mochten ihn lieber als Tontafeln und Tierhäute, da sie die beschriebenen Blätter in die Tasche stecken konnten.
    >Alles wird einfacher<, dachte sie. >Schade, daß man die Erlaubnis der Regierung braucht, um mit Byblos-Schrift auf Papyrus zu schreiben.< Ein überholtes Gesetz verlangte, daß geschriebene Texte dem Rat von Akbar zur Kontrolle vorgelegt wurden.
    Als sie mit ihrer Arbeit fertig war, zeigte sie sie Elia, der die ganze Zeit schweigend vor sich hingestarrt hatte.
    »Wie gefällt dir das Ergebnis?« fragte sie.
    Er schien aus einer Trance zu erwachen.
    »Ja, es ist schön«, antwortete er zerstreut.
    Er sprach wohl gerade mit dem Herrn. Und sie wollte ihn nicht unterbrechen. Sie ging hinaus und holte den Priester.
    Als sie zurückkam, saß Elia immer noch auf derselben Stelle. Geraume Zeit sagte niemand etwas.
    Der Priester brach zuerst das Schweigen.
    »Ihr seid ein Prophet und sprecht mit den Engeln. Ich deute nur die alten Gesetze, vollziehe Rituale und versuche mein Volk vor Fehlern zu bewahren. Deshalb ist dies kein Kampf zwischen Menschen. Es ist ein Kampf zwischen den Göttern, und ich kann mich ihm nicht entziehen.«
    »Ich bewundere Euren Glauben, obwohl Ihr Götter anbetet, die es nicht gibt«, entgegnete Elia. »Wenn die augenblickliche Lage, wie Ihr sagt, auf eine himmlische Schlacht hinweist, so wird mich der Herr als sein Werkzeug benutzen, um Baal und seine Gefährten vom Fünften Berg zu besiegen. Ihr hättet mich besser ermorden lassen.«
    »Ich habe daran gedacht. Doch es war nicht notwendig. Im entscheidenden Augenblick waren die Götter auf meiner Seite.«
    Elia gab keine Antwort. Der Priester wandte sich ab und
    nahm das Papyrus auf, auf dem die Frau gerade ihren Text zu Ende geschrieben hatte.
    »Schön«, lobte er. Nachdem er es sorgfältig durchgelesen hatte, zog er seinen Ring vom Finger, tunkte ihn in eines der Tintenfässer und drückte sein Siegel in die linke Ecke. Wenn jemand mit einem Papyrus erwischt wurde, das nicht das Siegel des Priesters trug, konnte er zum Tode verurteilt werden.
    »Warum müßt Ihr dies immer tun?« fragte sie.
    »Weil diese Papyrusblätter Ideen transportieren«, antwortete er. »Und Ideen sind mächtig.«
    »Es sind aber doch nur Handelsgeschäfte.«
    »Aber es könnten auch Schlachtpläne sein. Oder eine Aufzählung unserer Reichtümer. Oder unsere geheimen Gebete. Heutzutage ist es mit den Buchstaben und dem Papyrus leicht, die Seele eines Volkes zu rauben. Tontafeln oder Tierhäute lassen sich schwer verstecken. Doch die Verbindung des Papyrus mit der Byblos-Schrift kann ein Volk um seine Kultur bringen und die Welt zerstören.«
    Eine Frau kam hereingestürzt.
    »Priester! Priester! Kommt und seht, was passiert ist!«
    Elia und die Witwe folgten ihm. Leute strömten von überallher, hasteten alle in dieselbe Richtung, eine Staubwolke hinter sich herziehend, so daß man kaum noch atmen konnte. Die Kinder rannten lachend und grölend voraus, die Erwachsenen folgten schweigend und gemessenen Schrittes.
    Als die vier beim Südtor anlangten, fanden sie dort eine kleine Menschenmenge versammelt. Der Priester bahnte sich einen Weg und suchte den Grund für die ganze Aufregung.
    Ein Wachsoldat von Akbar kniete mit ausgebreiteten Armen, die Hände an einen Holzbalken genagelt, der über seinen Schultern lag. Seine Kleider waren zerrissen, das linke Auge von einem Holzpflock durchstoßen.
    Auf seine Brust waren mit einem Dolch einige assyrische Schriftzeichen geritzt. Der Priester verstand Ägyptisch, doch die assyrische Sprache galt noch nicht als bedeutend genug, um sie zu lernen, und man mußte einen Kaufmann zu Hilfe rufen.
    »Wir erklären den Krieg<, haben sie geschrieben«, übersetzte der Mann.
    Die Umstehenden sagten kein Wort. Elia las Panik in ihren Gesichtern.
    »Gib mir dein Schwert«, sagte der Priester zu einem der anwesenden Soldaten.
    Der Soldat gehorchte. Der Priester befahl, den Stadthauptmann und den Kommandanten von dem Vorfall zu benachrichtigen. Dann stieß er dem knienden Wachsoldaten blitzschnell die Klinge ins Herz.
    Der Mann tat einen Seufzer und fiel tot zu Boden, frei von Schmerzen und von der Schande, dem Feind lebend in die Hände gefallen zu sein.
    »Morgen werde ich zum Fünften Berg gehen und opfern«, sagte er zu der verstörten Menge. »Die

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