Der fuenfte Berg
auszusprechen. Die Schwierigkeit wurde von den Griechen gemeistert, die den 22 Buchstaben noch 5 hinzufügten, die sie Vokale nannten. Sie nannten das Ganze dann Alphabet.
Dies vereinfachte die Handelsbeziehungen zwischen den unterschiedlichen Kulturen. Das ägyptische System verlangte viel Platz und Geschicklichkeit, um die Gedanken zu zeichnen, und zudem ein großes Wissen, um sie zu deuten. Es war den eroberten Völkern aufgezwungen worden, hatte indes den Niedergang des Reiches nicht überdauert. Das System von Byblos hingegen breitete sich in der Welt rasch aus, und seine Anwendung war nicht mehr von der Handelsmacht Phöniziens abhängig.
Die Methode von Byblos mit ihrer griechischen Anpassung gefiel den Kaufleuten der verschiedenen Völker. Seit undenklichen Zeiten waren sie es, die darüber entschieden, was in der Geschichte überliefert wurde oder was mit dem Tode eines Königs oder einer bestimmten Persönlichkeit verschwinden sollte. Alles wies darauf hin, daß die phönizische Erfindung sich bei den Kaufleuten weltweit durchsetzen und daß sie Seefahrer, Könige, verführerische Prinzessinnen, Weinproduzenten und Glasbläsermeister überleben würde.
»Wird Gott aus den Worten verschwinden?« fragte die Frau.
»Er wird in ihnen bleiben«, antwortete Elia. »Doch jeder Mensch wird Ihm gegenüber für alles verantwortlich sein, was er schreibt.«
Sie zog eine Tontafel mit etwas Geschriebenem darauf aus ihren Kleidern.
»Was bedeutet das?« fragte Elia.
»Das ist das Wort Liebe.«
Elia hielt die Tafel in den Händen und wagte nicht, sie zu fragen, warum sie sie ihm gegeben hatte. Auf diesem Stück Ton faßten einige Striche den Grund dafür zusammen, daß die Sterne weiterhin am Himmel standen und die Menschen auf Erden wandelten.
Er wollte sie ihr zurückgeben, doch sie lehnte ab.
»Ich habe es für Euch geschrieben. Ich weiß um Eure Aufgabe, weiß, daß Ihr eines Tages gehen müßt und zu einem Feind meines Landes werdet, denn Ihr wollt Isebel vernichten. An diesem Tag werde ich vielleicht an Eurer Seite stehen, Euch unterstützen und helfen, damit Ihr Eure Aufgabe erfüllen könnt. Oder vielleicht kämpfe ich auch gegen Euch, weil das Blut Isebels auch das Blut meiner Väter ist. Dieses Wort, das Ihr jetzt in Händen haltet, ist voller Geheimnisse. Niemand weiß, was es im Herzen einer Frau weckt - nicht einmal die Propheten, die mit Gott reden.«
»Ich kenne das Wort, das Ihr geschrieben habt«, sagte Elia, indem er die Tafel im Saum seines Gewandes verwahrte. »Ich habe Tag und Nacht dagegen gekämpft, denn wenn ich auch nicht weiß, was es im Herzen einer Frau weckt, so weiß ich wohl, was es einem Mann tun kann. Ich habe genügend Mut, um den König von Israel herauszufordern, die Prinzessin von Sidon, den Rat von Akbar, doch dieses eine Wort - Liebe - erschreckt und verstört mich zutiefst. Noch ehe Ihr es auf die Tafel gezeichnet habt, haben Eure Augen es schon in mein Herz geschrieben.«
Die beiden schwiegen. Da war der Tod des Assyrers, eine angespannte Stimmung in der Stadt, der Ruf des Herrn konnte jeden Augenblick erfolgen. Doch das Wort, das sie geschrieben hatte, war mächtiger als alles.
Elia streckte seine Hand aus, und sie hielt sie fest. Sie blieben so sitzen, bis die Sonne sich hinter dem Fünften Berg verbarg.
»Danke«, sagte sie auf dem Rückweg. »Ich habe lange schon einen Abend mit dir verbringen wollen.«
Als sie zu Hause ankamen, erwartete sie ein Bote des Stadthauptmanns. Er bat Elia, umgehend mitzukommen.
»Ihr habt meine Unterstützung mit Feigheit heimgezahlt«, sagte der Stadthauptmann. »Was soll ich mit Euch anfangen?«
»Ich werde keine Sekunde länger leben, als der Herr es wünscht«, antwortete Elia. »Er entscheidet darüber, nicht Ihr.«
Der Stadthauptmann bewunderte Elias Mut.
»Ich könnte Euch jetzt enthaupten lassen. Oder durch die Straßen der Stadt schleifen lassen und verbreiten, Ihr hättet einen Fluch über unser Volk gebracht«, sagte er. »Und es wäre nicht der Beschluß Eures Einzigen Gottes.«
»Was meinem Schicksal vorbestimmt ist, wird geschehen. Doch ich möchte, daß Ihr wißt, daß ich nicht geflohen bin. Die Soldaten des Kommandanten haben mich von Euch ferngehalten. Er will den Krieg und setzt alles daran, daß er stattfindet.«
Der Stadthauptmann beschloß, keine Zeit mehr mit dieser nutzlosen Diskussion zu vertun. Er mußte dem israelitischen Propheten seinen Plan erklären.
»Nicht der Kommandant will den Krieg: Als
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