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Der Fürst des Nebels

Der Fürst des Nebels

Titel: Der Fürst des Nebels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Ruiz Zafón
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schlich aus dem Zimmer, vermutlich auf der Suche nach weiteren dieser appetitlichen Krabbeltiere. Max ging zum Fenster. Seine Familie saß noch immer vor dem Haus, und Alicia warf ihm von unten einen fragenden Blick zu.
»Du brauchst dich nicht weiter zu beunruhigen, Alicia. Ich glaube nicht, daß du hier noch Spinnen sehen wirst.«
»Schau genau nach«, beharrte Maximilian Carver.
Max nickte und steuerte auf die Zimmer zu, die zur Hinterseite des Hauses hinausgingen, nach Nordwesten.
Er hörte die Katze in der Nähe miauen und nahm an, daß eine andere Spinne in die Klauen des mordlustigen Tieres gefallen war. Die Zimmer im hinteren Bereich waren kleiner als die auf der Vorderseite. Von einem der Fenster aus blickte er nach draußen. Das Haus hatte einen kleinen Hinterhof mit einem Schuppen, in dem man Möbel oder sogar ein Fahrzeug unterstellen konnte. In der Mitte des Hofes stand ein großer Baum, dessen Wipfel sich über die Dachfenster des Speichers erhob. So wie er aussah, mußte er schon über zweihundert Jahre dort stehen.
Hinter dem Zaun, der den Hof umgrenzte, erstreckte sich ein Feld wilder Kräuter, und einige hundert Meter weiter erhob sich etwas, das wie ein kleiner, eingefriedeter Platz aussah, umgeben von einer Mauer aus hellem Stein. Pflanzen hatten den Ort überwuchert und in einen kleinen Urwald verwandelt, aus dem etwas herausragte: Max glaubte Figuren erkennen zu können, menschliche Figuren. Das letzte Licht des Tages fiel über das Feld, und Max mußte seine Augen anstrengen. Es war ein verlassener Garten. Ein Statuengarten. Wie hypnotisiert starrte Max auf den seltsamen Anblick der Statuen, die gefangen waren im Gestrüpp und eingesperrt in diesem Gehege, das ihn an einen kleinen Dorffriedhof erinnerte. Ein mit Ketten verschlossenes Tor aus Metallstäben führte ins Innere des Gartens. An der Spitze der Stäbe konnte Max ein Schild erkennen, das wie ein Stern mit sieben Enden geformt war. In der Ferne, jenseits des Statuengartens, begann ein dichter Wald, der sich meilenweit zu erstrecken schien.
»Hast du eine Entdeckung gemacht?« Die Stimme der Mutter hinter seinem Rücken riß ihn aus dem Dämmerzustand, in den ihn das Traumbild versenkt hatte. »Wir dachten schon, daß die Spinnen dich überwältigt haben.«
»Wußtest du, daß es dort hinten, bei dem Wald, einen Statuengarten gibt?« Max deutete auf den Platz mit der Steinmauer, und seine Mutter sah zum Fenster hinaus.
»Es wird schon dunkel. Dein Vater und ich, wir werden ins Dorf gehen, um etwas zum Abendessen zu holen; morgen können wir dann Vorräte einkaufen. Ihr bleibt alleine hier. Paß auf Irina auf.«
Max nickte. Seine Mutter küßte ihn flüchtig auf die Wange und ging die Treppen hinunter. Max heftete wieder den Blick auf den Statuengarten, dessen Umrisse nach und nach mit dem dämmrigen Nebel verschmolzen. Der sanfte Wind hatte allmählich aufgefrischt. Max schloß das Fenster und schickte sich an, dies auch in den übrigen Zimmern zu tun. Im Flur traf er Irina.
»Waren sie groß?« fragte sie fasziniert.
Max zögerte eine Sekunde lang.
»Die Spinnen, Max. Waren sie groß?«
»Faustgroß«, antwortete Max feierlich.
»Ehrlich?!«
Kapitel 3
    A m nächsten Morgen, kurz vor Tagesanbruch, hörte Max, wie eine Gestalt, in den nächtlichen Dunstschleier eingehüllt, ihm einige Worte ins Ohr flüsterte. Er fuhr hoch, mit heftig klopfendem Herzen und stockendem Atem. Er war allein in seinem Zimmer. Das Bild jener düsteren, im Halbdunkel murmelnden Silhouette, von der er geträumt hatte, war innerhalb weniger Sekunden verschwunden. Er streckte die Hand nach dem Nachttisch aus und schaltete die Lampe an, die Maximilian Carver am Abend zuvor repariert hatte.
    Durch das Fenster waren die ersten Strahlen des Tageslichts über dem Wald zu sehen. Nebel trieb langsam über das Feld aus wilden Pflanzen, und der Wind riß lichte Stellen auf, durch die man die Figuren des Skulpturengartens vage erkennen konnte. Max nahm seine Taschenuhr vom Nachttisch und öffnete sie. Die Scheiben der lächelnden Monde funkelten wie Plättchen aus Gold. Es war kurz vor sechs Uhr morgens.
    Max zog sich leise an und stieg vorsichtig die Treppe hinunter, um den Rest der Familie nicht zu wecken. Er ging in die Küche, wo die Überreste des gestrigen Abendessens noch auf dem Holztisch lagen. Er öffnete die Küchentür, die auf den hinteren Hof führte, und trat nach draußen. Die kalte und feuchte Morgenluft biß auf der Haut. Max überquerte den Hof bis zur

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