Der Gang vor die Hunde (German Edition)
einbrechen.« Dann hob er sie aus dem Bett, öffnete die Tür und zog die widerstrebende Cornelia in den Korridor. Sie sträubte sich, aber er faßte sie unter, und sie spazierten, Adam und Eva zum Verwechseln ähnlich, den Flur entlang, bis vor Fabians Tür.
»Das ist ja entsetzlich«, jammerte sie und wollte entfliehen. Aber er drückte die Klinke nieder und transportierte das Mädchen in sein Zimmer. Sie klapperte kläglich mit den Zähnen. Er machte Licht, verbeugte sich und äußerte feierlich: »Herr Doktor Fabian erlaubt sich, Fräulein Doktor Battenberg in seinen Gemächern willkommen zu heißen.« Dann warf er sich auf sein Bett und biß vor Vergnügen ins Kopfkissen.
»Nein!« sagte sie hinter ihm, »das ist nicht möglich.« Aber dann glaubte sie es doch und begann Schuhplattler zu tanzen.
Er stand auf und sah ihr zu. »Du darfst dir nicht so laut hintendrauf klatschen«, erklärte er würdevoll.
»Das ist bei Schuhplattler nicht anders«, meinte sie und tanzte weiter, so echt und so laut es ging. Dann schritt sie gemessen zum Tisch, setzte sich auf einen Stuhl, tat dabei, als ob sie ihr Kleid glattstriche, obwohl sie, augenfällig genug, nichts Derartiges anhatte, und sagte: »Bitte, die Speisekarte.«
Er schleppte Teller, Messer, Gabel, Brot und Wurst und Keks herbei und markierte, während sie aß, den aufmerksamen Oberkellner. Später stöberte sie auf seinem Bücherbrett herum, klemmte sich Lektüre unter den rechten Arm, bot ihm den linken und befahl majestätisch: »Bringen Sie mich unverzüglich in mein Appartement zurück.«
Bevor sie das Licht auslöschten, verabredeten sie noch, daß sie ihn am nächsten Morgen wecken solle. Man entschied sich dafür, daß sie ihn, bis er munter sei, am Ohr zupfen werde.
»Werden sich die Leute freuen, wenn ich mit dem Glockenschlag ins Büro trete«, sagte er begeistert.
Abends wollten sie sich dann wieder in der Wohnung treffen. Wer zuerst da wäre, würde neben seine Türklinke ein Bleistiftkreuz kritzeln. Man nahm sich vor, die Witwe Hohlfeld nach Möglichkeit nichts merken zu lassen.
Dann löschte Cornelia das Licht aus. Sie bettete sich neben ihn und sagte: »Komm!« Er streichelte ihren Körper. Sie nahm seinen Kopf in ihre Hände, preßte den Mund auf sein Ohr und flüsterte: »Komm! Was rief die Selow? Es lebe der kleine Unterschied!«
Elftes Kapitel Die Überraschung in der Fabrik – Der Kreuzberg und ein Sonderling – Das Leben ist eine schlechte Angewohnheit
Punkt acht Uhr durchquerte Fabian, stolz wie ein Marathonsieger im Ziel, die Toreinfahrt, nickte dem Portier vergnügt zu und rief: »Der Direktor schon da?« Der Portier legte den Finger an die Schirmmütze und schüttelte schläfrig den Kopf. Fabian strahlte vor Selbstbewußtsein. Er sprang die Treppe hoch, rannte durch die leeren Korridore und segelte ins Reklamebüro. Fischer, der seinen Begabungsmangel durch Pünktlichkeit zu ersetzen pflegte, war auch noch nicht da. Die Tatsache glich einem Rekord.
Fabian nahm an seinem Schreibtisch Platz. Er wollte der Direktion ein Preisausschreiben vorschlagen und überflog die Notizen dazu. Die Fabrik sollte dem Einzelhandel hunderttausend sehr billige Sonderpackungen zugänglich machen. Die Schachteln sollten numeriert sein und Zigaretten sechs verschiedener Sorten ohne jeden Schriftaufdruck enthalten. Die Käuferschaft sollte erraten, wieviel Zigaretten der sechs bekannten Marken der Firma in der Packung enthalten wären. Wer eine billige Schachtel erwarb, mußte, wenn er die Aufgabe lösen und einen der Preise gewinnen wollte, notgedrungen je eine der sechs Spezialpackungen kaufen, die seit langem im Handel waren, also sechs Packungen außer der billigen Sonderschachtel. Wenn sich hunderttausend Interessenten fanden, konnten automatisch sechshunderttausend andere Packungen, insgesamt siebenhunderttausend Schachteln, umgesetzt werden. Dazu kam die allgemeine Absatzsteigerung, die einem geschickt propagierten Kundenfang zu folgen pflegt. Fabian begann eine ungefähre Kalkulation aufzustellen.
Da erschien Fischer, rief: »Nanu?« und blickte dem Kollegen neugierig über die Schulter.
»Der Entwurf fürs Preisausschreiben«, sagte Fabian. »Passen Sie auf, von heute ab bin ich ebenso pünktlich wie Sie.«
Fischer zog das graue Lüsterjackett an, das er im Büro trug. »Wie wollen Sie das machen?«
»Ich habe seit gestern einen schönen neuen Wecker«, meinte Fabian.
»Teuer?«
»Nein.«
»Keinen Garantieschein gekriegt?«
»Auch
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