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Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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nicht.«
    »Das ist bedenklich.« Fischer wiegte den Kopf. »Darf ich Ihnen nachher mal meine Zweizeiler zeigen?«
    »Gern. Heute habe ich Sinn für Lyrik.«
    Da klopfte es. Der Hausbote Schneidereit, ein ältliches, wackliges Faktotum, auch der Erfinder des Plattfußes geheißen, schob sich ins Zimmer. Er legte mürrisch einen großen gelben Brief auf Fabians Schreibtisch und entfernte sich wieder.
    Der Brief enthielt Fabians Papiere, eine Anweisung an die Hauptkasse und ein kurzes Schreiben mit diesem Inhalt:
    »Sehr geehrter Herr, die Firma sieht sich veranlaßt, Ihnen unter dem heutigen Tage die Kündigung auszusprechen. Das am Monatsende zahlbare Gehalt wird Ihnen schon heute an der Kasse ausgefolgt werden. Wir haben uns erlaubt, aus freien Stücken in der Anlage ein Zeugnis beizufügen, und wollen auch an dieser Stelle gern bekunden, daß Sie für die propagandistische Tätigkeit besonders qualifiziert erscheinen. Die Kündigung ist eine bedauerliche Folge der vom Aufsichtsrat beschlossenen Senkung des Reklamebudgets. Wir danken Ihnen für die dem Unternehmen geleistete Arbeit und wünschen Ihnen für Ihr weiteres Fortkommen das Beste.« Unterschrift. Aus.
    Fabian saß minutenlang, ohne sich zu rühren. Dann stand er auf, zog sich an, steckte den Brief in den Mantel und sagte zu Fischer: »Auf Wiedersehen. Lassen Sie sich’s gut gehen.«
    »Wo wollen Sie denn hin?«
    »Man hat mir eben gekündigt.«
    Fischer sprang auf. Er war grün im Gesicht. »Was Sie nicht sagen! Das hat Ihnen Breitkopf eingebrockt. So ein Ignorant!«
    »Intrigant, meinen Sie«, verbesserte Fabian.
    Fischer trat auf den gekündigten Kollegen zu und drückte ihm mit feuchter Hand sein Bedauern aus. »Na, zum Glück läßt Sie die Sache kalt. Sie sind ein patenter Kerl, und zweitens haben Sie keine Frau am Hals. Aber Ihren neuen Wecker können Sie nun nicht brauchen.«
    »Das bedaure ich am meisten«, sagte Fabian und setzte den Hut auf.
    Plötzlich stand Direktor Breitkopf im Zimmer, zögerte, als er sah, daß Fischer nicht allein war, und wünschte schließlich einen guten Morgen.
    »Guten Morgen, Herr Direktor«, grüßte Fischer und verbeugte sich zweimal.
    Fabian tat, als sehe er Breitkopf nicht, wandte sich dem Kollegen zu und sagte: »Auf dem Schreibtisch liegt mein Preisausschreiben-Projekt. Ich vermach es Ihnen.« Fischer dankte betreten. »Und wenn Sie Herrn Direktor Breitkopf treffen sollten«, fuhr Fabian fort, »so richten Sie ihm doch aus, daß Sie von mir gebeten worden seien, ihm etwas auszurichten, was Sie nicht auszurichten wagten. Sagen Sie ihm, es habe sich um einen klassischen Imperativ gehandelt, den man normalerweise nicht ganz wörtlich meint, sondern dessen man sich nur rhetorisch bedient, um jenen Grad von gewährter Hochschätzung auszudrücken, der beträchtlich unter Null liegt.« Damit verließ Fabian seine Wirkungsstätte und holte sich an der Kasse zweihundertsiebzig Mark. Bevor er auf die Straße trat, blieb er minutenlang im Tor stehen. Lastautos ratterten vorbei. Ein Depeschenbote sprang vom Rad und eilte ins gegenüberliegende Gebäude. Das Nebenhaus war von einem Gerüst vergittert. Maurer standen auf den Laufbrettern und verputzten den grauen, bröckligen Bewurf. Eine Reihe bunter Möbelwagen bog schwerfällig in die Seitenstraße. Der Depeschenbote kam zurück, stieg hastig auf sein Rad und fuhr weiter. Fabian stand im Torbogen, griff in die Tasche, ob das Geld noch drin sei, und dachte: Was wird mit mir? Dann ging er, da er nicht arbeiten durfte, spazieren.
     
    Er lief kreuz und quer durch die Stadt, trank gegen Mittag, Hunger hatte er nicht, bei Aschinger eine Tasse Kaffee und setzte sich von neuem in Bewegung, obwohl er sich lieber traurig in den tiefen Wald verkrochen hätte. Aber wo war hier ein tiefer Wald? Er lief und lief und rannte sich den Kummer in den Stiefelsohlen ab. Auf der Belle Alliance-Straße erkannte er das Haus wieder, in dem er zwei Semester lang als Student gelebt hatte. Es stand wie ein alter Bekannter da, den man lange nicht gesehen hat und der verlegen abwartet, ob man ihn grüßen wird oder nicht. Fabian stieg die Treppen hinauf und sah nach, ob die alte Geheimratswitwe noch immer hier wohne. Aber es war ein fremdes Schild an der Tür. Er kehrte um. Die alte Dame war ganz weißhaarig und sehr schön gewesen. Er entsann sich des regelmäßigen dummen Greisinnengesichts. Im Inflationswinter hatte er kein Geld zum Heizen gehabt. Er hatte, im Mantel vergraben, dort oben gehockt

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