Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
Vom Netzwerk:
könnte. Und vor den Fenstern schwanken nachts schwarze Bäume.«
    Fabian sagte lauter, als er wollte: »Ich komme gern mit. Schließen Sie nur auf.« Sie steckte den Schlüssel ins Schloß und drehte um. Doch ehe sie die Tür aufschob, wandte sie sich noch einmal zu ihm. »Ich bin sehr in Sorge, daß Sie mich mißverstehen.« Er drückte die Tür auf und schaltete die Treppenbeleuchtung ein. Dann ärgerte er sich, daß er sich dadurch verraten haben könnte. Aber sie wurde nicht stutzig, schloß hinter ihm ab und ging voraus. Er folgte und amüsierte sich über die Heimlichkeit, mit der er heute dieses Haus betrat. In welcher Etage mochte sie wohnen? Sie blieb tatsächlich vor der Tür seiner Wirtin, vor der Tür der Witwe Hohlfeld, stehen und öffnete.
    Im Flur brannte Licht. Zwei junge Mädchen in rosa Hemdhöschen spielten mit einem grünen Luftballon Fußball. Sie erschraken und begannen vor Schreck zu kichern. Fräulein Battenberg stand starr. Da ging die Toilettentür auf, und Herr Tröger, der sinnliche Stadtreisende, erschien im Pyjama.
    »Halten Sie Ihren Harem besser unter Verschluß«, brummte Fabian.
    Herr Tröger grinste, trieb die Mädchen in seinen Serail und riegelte ab. Fabian legte die Hand versehentlich auf die Klinke zu seinem eigenen Zimmer.
    »Um Gottes willen«, flüsterte Fräulein Battenberg. »Da wohnt jemand anderes.«
    »Pardon«, sagte Fabian und folgte ihr durch den Korridor in den letzten Raum. Er legte Hut und Mantel aufs Sofa, sie hängte ihren Mantel in den Schrank. »Eine fürchterliche Bude«, sagte sie lächelnd. »Und achtzig Mark im Monat.«
    »Ich zahle genau so viel«, tröstete er.
    Nebenan wurde gelärmt. Die Sprungfedern knirschten unwillig. »Die Nachbarschaft habe ich gratis«, meinte sie.
    »Bohren Sie ein Loch in die Wand und verlangen Sie Eintritt.«
    »Ach, ich bin so froh«, sie rieb sich die Hände wie vor einem Kamin. »Wenn ich allein bin, wirkt dieser Salon noch viel gräßlicher. Ich bin Ihnen sehr dankbar. Wollen Sie sich mal die schaurigen Bäume anschauen?«
    Sie traten ans Fenster. »Heute sind sogar die Bäume freundlicher«, stellte sie fest. Dann sah sie ihn an und murmelte: »Das macht, weil ich sonst allein bin.« Er zog sie behutsam an sich und gab ihr einen Kuß. Sie küßte ihn wieder. »Nun wirst du denken, daß ich dich deshalb bat mitzukommen.«
    »Freilich denke ich das«, gab er zur Antwort. »Aber du wußtest es selber noch nicht.«
    Sie rieb ihre Wange an der seinen und blickte durchs Fenster.
    »Wie heißt du eigentlich?« fragte er.
    »Cornelia.«
     
    Als sie nebeneinander im Bett lagen, sagte er ehrlich bekümmert, während er ihr mit den Händen über das Gesicht strich und dabei die Augen schloß, um das Gepräge des Gesichts zu spüren: »Weißt du noch, daß wir heute abend einmal in einem Atelier saßen, hinter Göttinnen aus Gips, und daß du erzähltest, wie du die Männer für ihren Egoismus bestrafen willst?«
    Sie drückte lauter kleine Küsse auf seine Hände. Dann holte sie tief Atem und antwortete: »An dem Vorsatz hat sich nichts geändert, wirklich nicht. Aber mit dir mach ich eine Ausnahme. Mir ist ganz so, als ob ich dich liebhabe.«
    Er setzte sich hoch. Aber sie zog ihn wieder zu sich herab. »Vorhin, als wir uns umarmten, hab ich geweint«, flüsterte sie. Und als sie sich dessen erinnerte, traten ihr von neuem Tränen in die Augen, aber sie lächelte unter diesen Tränen, und er war seit langem wieder einmal beinahe glücklich. »Ich habe geweint, weil ich dich liebhabe. Aber daß ich dich liebhabe, das ist meine Sache, hörst du? Und es geht dich nichts an. Du sollst kommen und gehen, wann du willst. Und wenn du kommst, will ich mich freuen, und wenn du gehst, will ich nicht traurig sein. Das versprech ich dir.« Sie drängte sich an ihn und preßte ihren Körper an den seinen, daß Beiden der Atem verging. »So«, rief sie, »und jetzt hab ich Hunger!«
    Er zog ein so verdutztes Gesicht, daß sie lachte.
    Sie erklärte ihm die Sache. »Das ist so: wenn ich wen liebhabe, ich meine, wenn mich jemand liebgehabt hat, aber du verstehst mich schon, ja? dann hab ich hinterher immer fürchterlichen Hunger. Der Hunger hat nur einen Haken. Ich habe nichts zu essen da. Ich konnte ja nicht wissen, daß ich in dieser fürchterlichen Stadt so bald solchen Hunger bekäme.« Sie lag auf dem Rücken und lächelte die Zimmerdecke an, die Engelsköpfe aus Stuck inbegriffen.
    Fabian stand auf und meinte: »Da müssen wir eben

Weitere Kostenlose Bücher