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Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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finanziellen Monatszuwendung geahndet. Der Kontrakt ist sehr interessant. Soll ich ihn in extenso vorlesen?« Moll holte den Schreibtischschlüssel aus der Tasche.
    »Bemühen Sie sich nicht!« Fabian wehrte ab. »Wissen möchte ich nur, wieso Sie auf den Gedanken verfielen, einen solchen Kontrakt überhaupt aufzusetzen.«
    »Meine Frau träumte so schlecht.«
    »Wie?«
    »Sie träumte. Sie träumte entsetzliche Dinge. Es war offensichtlich, daß ihre sexuellen Bedürfnisse proportional der Ehedauer zunahmen und Wunschträume erzeugten, von deren Inhalt Sie, mein Herr, sich glücklicherweise noch keine Vorstellung machen können. Mir wuchs der Unterleib meiner Frau sozusagen über den Kopf. Ich zog mich zurück, und sie bevölkerte ihr Schlafzimmer mit Chinesen, Ringkämpfern und Tänzerinnen. Was blieb mir übrig? Wir schlossen einen Vertrag.«
    »Meinen Sie nicht, daß eine andere Behandlung erfolgreicher und geschmackvoller gewesen wäre?« fragte Fabian ungeduldig.
    »Zum Beispiel, mein Herr?« Der Rechtsanwalt setzte sich aufrecht.
    »Zum Beispiel: pro Abend fünfundzwanzig hintendrüber?«
    »Ich hab’s versucht. Es tat mir zu weh.«
    »Das kann ich ganz gut verstehen.«
    »Nein!« rief der Rechtsanwalt, »das können Sie nicht verstehen! Irene ist sehr kräftig, mein Herr.«
    Moll senkte den Kopf. Fabian zog eine weiße Nelke aus der Schreibtischvase, steckte die Blume ins Knopfloch, erhob sich, lief im Zimmer umher und rückte die Bilder gerade. Vermutlich hatte es dem alten langen Kerl auch noch Vergnügen gemacht, von seiner Frau übers Knie gelegt zu werden.
    »Ich will gehen«, sagte er. »Geben Sie mir den Hausschlüssel!«
    »Ist das Ihr Ernst?« fragte Moll ängstlich. »Aber Irene erwartet Sie doch. Bleiben Sie, um des Himmels willen! Sie wird außer sich geraten, wenn sie sieht, daß Sie gegangen sind! Sie wird denken, ich hätte Sie weggeschickt. Bleiben Sie bitte! Sie hat sich so darauf gefreut. Gönnen Sie ihr doch das kleine Vergnügen!«
    Der Mann war aufgesprungen und packte den Besucher am Jackett. »Bleiben Sie doch! Sie werden es nicht bereuen. Sie werden wiederkommen. Sie werden unser Freund bleiben. Und ich werde Irene in guten Händen wissen. Tun Sie’s mir zu Gefallen.«
    »Vielleicht wollen Sie mir auch noch ein sicheres Monatseinkommen garantieren?«
    »Darüber ließe sich reden, mein Herr. Ich bin nicht unvermögend.«
    »Geben Sie mir den Hausschlüssel, aber etwas plötzlich! Ich eigne mich nicht für den Posten.«
    Doktor Moll seufzte, kramte auf dem Schreibtisch, gab Fabian ein Schlüsselbund und sagte: »Jammerschade. Sie waren mir von Anfang an sympathisch. Behalten Sie die Schlüssel ein paar Tage. Vielleicht überlegen Sie sich’s. Ich würde mich jedenfalls sehr freuen, Sie wiederzusehen.«
    Fabian knurrte: »Gute Nacht«, ging leise durch die Diele, nahm Mantel und Hut, öffnete die Tür, zog sie vorsichtig hinter sich zu und galoppierte die Treppen hinunter. Auf der Straße holte er tief Atem und schüttelte den Kopf. Da spazierten nun die Menschen hier unten vorüber und hatten keine Ahnung, wie verrückt es hinter den Mauern zuging. Die märchenhafte Gabe, durch Mauern und verhängte Fenster zu blicken, war ein Dreck gegen die Fähigkeit, das, was man dann sähe, zu ertragen.
    »Ich bin sehr neugierig«, hatte er der blonden Person erzählt, und nun lief er auf und davon, statt seine Neugier mit dem Ehepaar Moll zu füttern. Dreißig Mark war er losgeworden. Zwei Mark hatte er noch in der Tasche. Aus dem Abendessen wurde nichts. Er pfiff sich eins, ging kreuz und quer durch düstere unbekannte Alleen und geriet, aus Versehen, vor den Bahnhof Heerstraße. Er fuhr bis zum Zoo, dort sprang er in die Untergrundbahn, stieg am Wittenbergplatz um und kam in der Spichernstraße aus der Unterwelt wieder herauf unter den freien Himmel.
     
    Er ging in sein Stammcafé. Nein, Doktor Labude sei nicht mehr da. Er habe bis elf Uhr gewartet. Fabian setzte sich, bestellte Kaffee und rauchte.
    Der Wirt, ein gewisser Herr Kowalski, erkundigte sich nach dem werten Befinden. Heute abend sei übrigens etwas sehr Komisches passiert. Kowalski lachte, daß die falschen Zähne blitzten. Der Kellner Nietenführ habe es zuerst beobachtet. »Dort drüben am runden Tisch saß ein junges Paar. Die beiden unterhielten sich prächtig. Die Frau streichelte die Hand des Mannes in einem fort. Sie lachte, zündete ihm eine Zigarette an und war von einer Liebenswürdigkeit, die nicht häufig ist.«
    »Das

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