Alfred Bekker
Haus der Schatten
Romantic Thriller/Unheimlicher Roman
Der vorliegende Roman erschien ursprünglich unter dem Autorenamen Leslie Garber, einem Pseudonym von Alfred Bekker.
© 1990 by Alfred Bekker
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Ein CassiopeiaPress Ebook
Ausgabejahr dieser Edition: 2012
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"Es ist kalt geworden... Ja, es wird Herbst!"
Der Wind fuhr pfeifend durch die uralten, knorrigen Bäume, die den Friedhof umgaben.
Die ersten braunen Blätter wurden von den zuweilen ziemlich heftigen Windstößen von den Ästen gewirbelt. Nicht mehr allzu lange und sie würden völlig kahl sein.
Der ältere Herr, der sich an diesem stürmischen Tag hier her bemüht hatte, stand gedankenverloren da und starrte auf das Grab zu seinen Füßen.
John Baily - so stand es dort in den grauen Marmor eingraviert.
"John...", so flüsterte der Mann leise vor sich hin. Der Wind trug die Worte davon und verschluckte sie. John Baily, das war sein Sohn gewesen. Jetzt lag er hier zu seinen Füßen unter der Erde. Der ältere Herr wischte sich kurz über das Gesicht. Seine Augen hatten sich gerötet. Vielleicht lag das an dem scharfen Wind, vielleicht waren es auch ein paar verstohlene Tränen der Trauer und des Zorns. Dann schlug er sich mit einer schnellen Bewegung den Kragen seines Mantels hoch, um sich besser gegen den eisigen Wind zu schützen, der über die Gräber fegte.
"Möge deine Seele in Frieden ruhen", murmelte er vor sich hin und atmete tief durch.
Unweigerlich musste er an den Fluch denken, von dem man behauptete, dass er seit Jahrhunderten auf den männlichen Nachfahren der Bailys lastete...
Alles nur Gerede!, hatte er sich immer einzureden versucht.
Eine Legende, die sich im Laufe der Zeit gebildet hatte und an der wahrscheinlich nicht eine Spur von Wahrheit dran war!, so hatte er immer gesagt.
Aber in Augenblicken wie diesen fiel ihm die Geschichte in steter Regelmäßigkeit wieder ein.
Der Fluch...
Im Jahre 1697 war eine junge Frau als Hexe verbrannt worden. Es war in kleinen Stadt an der Küste Neuenglands gewesen, in der die Bailys zu jener Zeit gelebt hatten. Und einer von ihnen - Malcolm H. Baily - war damals als Zeuge der Anklage aufgetreten und hatte ausgesagt, er hätte die junge Frau bei der Ausübung schwarzer Magie beobachtet. Bevor die junge Frau schließlich auf dem Scheiterhaufen ein schreckliches Ende nahm, so hieß es, hatte sie dann ihren fürchterlichen Fluch ausgestoßen. Er sollte nicht nur Malcolm H. Baily selbst, sondern all seine Nachfahren treffen, die allesamt vor ihrer Zeit eines unnatürlichen Todes sterben würden. Doch damit nicht genug! Die Seelen der Bailys fänden nach dem Tod keine Ruhe und würden in finsteren Nächten die Lebenden heimsuchen und quälen... Ja, dachte Jeffrey J. Baily, der ältere Herr, der noch immer vor dem Grab seines Sohnes stand, allen Flüchen zum Trotz hast du deine Ruhe gefunden, mein Sohn!
*
Francine Baily spürte den Brief in ihrer Manteltasche und sie wusste noch immer nicht so recht, was sie nun eigentlich davon halten sollte.
Es war ein Brief von Dad, aber es war normalerweise gar nicht Dads Art, Briefe zu schreiben. Merkwürdig war auch, dass er maschinengeschrieben und nicht handschriftlich verfasst war.
Vielleicht hat er den Brief diktiert, hatte Francine spontan überlegt.
Und wenn sie genauer darüber nachdachte, dann kam sie zu dem bitteren Schluss, dass das unpersönliche Äußere dieses Briefes nur zu gut zu ihrem Vater passte! Es war der erste Brief, den ihr Vater ihr aus dem trüben, herbstlichen Neu-England ins sonnige Kalifornien geschickt hatte, seit sie ihn vor gut zwei Jahren zuletzt gesehen hatte.
Ja, sie erinnerte sich noch sehr genau daran.
Es war auf der Beerdigung ihres älteren Bruders John gewesen, der bei einem tragischen Verkehrsunfall ums Leben gekommen war.
Sie dachte an jenen kalten, unfreundlichen Tag und an die einschläfernden Worte des frierenden Geistlichen, auf dem Friedhof von Bangor, Maine.
Aber sie dachte in diesem Moment auch an das versteinerte Gesicht ihres Vaters.
Sie hatten an jenem Tag nicht miteinander gesprochen. Nicht ein Wort, obwohl sie beide in jener Stunde vielleicht ein paar Trostworte des anderen hätten gebrauchen können.
Aber sie hatten