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Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Der Gang vor die Hunde (German Edition)

Titel: Der Gang vor die Hunde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erich Kästner
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Direktor. »Eine gottlose Zeit. Die Gerechten müssen viel leiden.«
    »Wer sind die Gerechten?« fragte Fabian. »Geben Sie mir ihre Adresse.«
    »Sie sind immer noch der alte«, meinte der Direktor. »Sie waren immer einer der besten Schüler und einer der frechsten. Und wie weit haben Sie es damit gebracht?«
    »Der Staat ist im Begriff, mir eine kleine Pension zu bewilligen«, sagte Fabian.
    »Arbeitslos?« fragte der Direktor streng. »Ich hatte mehr von Ihnen erwartet.« Fabian lachte. »Die Gerechten müssen viel leiden«, erklärte er.
    »Hätten Sie nur damals Ihr Staatsexamen gemacht«, sagte der Direktor. »Dann stünden Sie jetzt nicht ohne Beruf da.«
    »Ich stünde in jedem Fall ohne Beruf da«, entgegnete Fabian erregt. »Auch wenn ich ihn ausübte. Ich kann Ihnen verraten, daß die Menschheit mit Ausnahme der Pastoren und Pädagogen nicht mehr weiß, wo ihr der Kopf steht. Der Kompaß ist kaputt, aber hier, in diesem Haus, merkt das niemand. Ihr fahrt nach wie vor in eurem Lift rauf und runter, von der Sexta bis zur Prima, wozu braucht ihr einen Kompaß?«
    Der Direktor schob die Hände unter die Flügel seines Gehrocks und sagte: »Ich bin entsetzt. Es gäbe keine Aufgabe für Sie? Gehen Sie hin und bilden Sie Ihren Charakter, junger Mensch! Wozu haben wir Geschichte getrieben? Wozu haben wir die Klassiker gelesen? Runden Sie Ihre Persönlichkeit ab!«
    Fabian betrachtete den wohlgenährten, selbstgefälligen Herrn und lächelte. Dann sagte er: »Sie mit Ihrer abgerundeten Persönlichkeit!« und ging.
     
    Auf der Straße traf er Eva Kendler. Sie kam mit zwei Kindern daher und war ziemlich dick geworden. Er wunderte sich, daß er sie überhaupt erkannte.
    »Jakob!« rief sie und wurde rot. »Du hast dich gar nicht verändert. Sagt dem Onkel Guten Tag!« Die Kinder gaben ihm die Hand und machten Knickse. Es waren zwei Mädchen. Sie sahen ihrer Mutter ähnlicher als sie sich selber.
    »Wir sind uns mindestens zehn Jahre nicht begegnet«, sagte er. »Wie geht’s dir? Wann hast du geheiratet?«
    »Mein Mann ist Oberarzt im Carolahaus«, erzählte sie. »Da kann man keine großen Sprünge machen. Zu einer eigenen Praxis reicht es nicht. Vielleicht geht er mit Professor Wandsbeck nach Japan. Wenn es sich lohnt, fahre ich mit den Kindern nach.« Er nickte und betrachtete die beiden kleinen Mädchen.
    »Damals war es schöner«, sagte sie leise. »Weißt du noch, wie meine Eltern verreist waren? Siebzehn Jahre war ich alt. Wie die Zeit vergeht.« Sie seufzte und strich den kleinen Mädchen die Matrosenkragen glatt. »Ehe man recht dazu kommt, sein eigenes Leben zu haben, trägt man schon wieder Verantwortung für seine Kinder. Dieses Jahr fahren wir nicht einmal an die See.«
    »Das ist natürlich schrecklich«, meinte er.
    »Ja«, sagte sie, »da wollen wir mal gehen. Auf Wiedersehen, Jakob.«
    »Auf Wiedersehen.«
    »Gebt dem Onkel die Hand!«
    Die kleinen Mädchen machten Knickse, drängten sich an die Mutter und zogen mit ihr davon. Fabian blieb noch eine Weile stehen. Die Vergangenheit bog um die Ecke, mit zwei Kindern an der Hand, fremd geworden, kaum wiederzuerkennen. »Du hast dich gar nicht verändert«, hatte die Vergangenheit zu ihm gesagt.
     
    »Wie war’s?« fragte die Mutter. Sie standen, nach dem Mittagessen, im Laden und packten eine Kiste mit Bleichpulver aus.
    »Ich war oben bei den Kasernen. In der Schule war ich auch. Und dann habe ich die Eva getroffen. Zwei kleine Kinder hat sie. Der Mann ist Arzt.«
    Die Mutter zählte die Pakete, die sie ins Regal geräumt hatte. »Die Eva? Das war mal ein hübsches Mädchen. Wie war das gleich? Du kamst doch damals zwei Tage nicht nach Hause.«
    »Ihre Eltern waren verreist, und ich mußte einen mehrtägigen Aufklärungskursus abhalten. Es war ihr erster, und ich löste meine Aufgabe sehr gewissenhaft und mit wahrhaft sittlichem Ernst.«
    »Ich war damals in Sorge«, sagte die Mutter.
    »Aber ich schickte dir doch eine Depesche!«
    »Depeschen sind etwas Unheimliches«, erklärte sie. »Über eine halbe Stunde saß ich davor und traute mich nicht, sie zu öffnen.« Er reichte die Pakete, die Mutter schichtete auf. »Wäre es nicht besser, wenn du hier eine Stellung suchtest?« fragte sie. »Willst du wirklich wieder nach Berlin? Gefällt es dir gar nicht mehr bei uns? Du könntest in die Wohnstube ziehen. Hier sind auch die Mädchen netter und nicht so verrückt. Vielleicht findest du doch eine Frau.«
    »Ich weiß noch nicht, was ich mache«,

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