Der Gebieter
Begriff. Wenn er die Einladung hinter ihrem Tun nicht erkannte, musste sie eben deutlicher werden. »Wenn du nicht willst, dass ich mich selbst berühre, dann übernimm du doch den Job.«
»Du hattest deinen Spaß. Kann ich jetzt meine Ruhe haben?«, knurrte er, als würde er es als Affront betrachten, dass sie neben ihm masturbierte. »Mach endlich das Licht aus, ich bitte dich, Naomi. Es war ein anstrengender, langer Tag, und ich bekomme Migräne. Es pocht schon hinter dem rechten Auge.«
Ihre Wut kochte hoch, sie konnte es nicht verhindern. »Hast du das eben im Auto nur als Pflichterfüllung gesehen? Du hast überhaupt keine Lust mehr.«
»Und du bist maßlos«, gab er trocken zurück. »Du hattest doch eben einen Orgasmus.«
»Wir haben seit einer Ewigkeit nicht mehr miteinander geschlafen. Ich bin ausgehungert!«
»Und ich habe Kopfschmerzen.« Zur Untermalung seiner Worte massierte er seine Schläfen.
»Du warst doch auf der Party eben noch so gut gelaunt. Warum bist du jetzt auf einmal mürrisch?« Sie verstand ihn immer weniger. Jegliche Lust war verpufft. Heute Nacht würden sie bestimmt nicht mehr miteinander intim werden. Ihre Nacktheit kam ihr töricht vor, deshalb zog sie die Bettdecke über ihren Körper.
»Lächeln, Small Talk, sich nach den Kindern erkundigen – das ist Business. Genauso wie das Golfen, das Tennisspielen und die ganzen anderen blöden Sachen.« Demonstrativ schloss er seine Augen.
Wenn er so dachte, gehörte alles, was er machte, zum Job, sogar jede einzelne seiner Freizeitaktivitäten. »Ich auch? Schließlich arbeiten wir zusammen. Bin ich inzwischen nur noch deine Vorzeigefrau, damit du jemanden hast, der dich zu Geschäftsessen begleitet?«
»Freundin«, korrigierte er sie und drehte ihr den Rücken zu. Das Gespräch war offensichtlich für ihn beendet.
Naomi war schockiert. Sie fühlte sich kaltgestellt. Also hatte er nicht vor, sie jemals zu heiraten. Die Zukunft, wie Naomi sie vorprogrammiert sah, zerplatzte von einer Sekunde zur anderen.
Aber vielleicht ist das gut so, dachte sie, so, wie er sich mir gegenüber in den letzten Monaten verhalten hat.
Freundin klang so belanglos. Sie war seit acht Jahren mit ihm zusammen und dachte, sie würde es auch immer bleiben. Aber aus seinem Mund klang es, als wäre sie nur seine Lebensabschnittsbegleiterin; ein weibliches Wesen an seiner Seite, damit sein Leben perfekt aussah und seine Geschäftspartner nicht auf komische Gedanken kamen. Cheng brauchte sie wie seine maßgeschneiderten Anzüge und seine Geschäftsadresse in einem angesehenen Viertel. Naomi gehörte zum schönen Schein dazu.
Plötzlich war Naomi die Luft im Schlafzimmer zu stickig. Selbst jetzt, obwohl sie wütend auf ihn war, nahm sie Rücksicht auf ihn, und schlich, das dünne Laken um ihren Körper gewickelt, aus dem Raum. Er konnte nur bei geschlossenem Fenster schlafen, weil ihn sonst die Geräusche der Stadt wach hielten. Daher öffnete sie das Fenster in der Küche, lehnte sich mit dem Oberkörper hinaus und atmete tief durch.
»Es war nicht so gemeint. Du hast das falsch verstanden«, hörte sie ihn rufen, aber er machte keine Anstalten, ihr zu folgen. »Du weißt doch, wie grantig ich werde, wenn ich Migräne bekomme. Verzeih mir, Liebes.«
Seine Entschuldigung konnte er sich an den Hut stecken! Er hatte nicht einmal ein Aspirin genommen, so schlimm konnten seine Kopfschmerzen also nicht sein.
Wo war der Cheng, der »Sway« von Michael Bublé in den CD-Player einlegte und sie zum Tanz aufforderte, der nach Feierabend ein Glas Sherry einschenkte, ihr den Nacken massierte, und der einmal gesagt hatte, es gäbe nichts Schöneres als ihr Gesicht zu betrachten, während sie einen Höhepunkt hatte?
Wo war der Liebhaber, der sie an Silvester überrascht hatte?
Am letzten Tag des vergangenen Jahres waren sie von einem sehr zufriedenen betuchten Kunden abends zu einem Maskenball eingeladen gewesen. Naomi war extra heimlich nach Chinatown gefahren, um ein Qipao zu kaufen und Cheng zu überraschen. Doch vor einem halben Jahr hatte sie noch ein Bäuchlein, das das eng geschnittene Kleid unschön zur Geltung brachte, weshalb sie am Ende nach Japantown gewechselt und sich schweren Herzens für einen Kimono in himmelblau mit weißen Stickereien entschieden hatte, dessen Gürtel man nicht einmal mehr auf traditionelle Weise binden musste, weil er mithilfe von Druckknöpfen gehalten wurde.
Unzufrieden fuhr sie nach Russian Hill zu der Villa, in der sie Cheng
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