Der geduldige Tod (German Edition)
dass er Sie für etwas Besonderes aufheben will. Vielleicht ist es auch nur eine Warnung an Sie. Jedenfalls traute er sich bisher nicht direkt an Sie heran.«
»Das soll mich trösten?«
»Nein. Deshalb müssen wir ihn unbedingt finden, bevor er wieder zuschlägt.«
Victoria sah nachdenklich zum Fenster hinaus. Dann wandte sie sich wieder an die Kommissarin. »Ich habe dennoch starke Zweifel, dass er in der Lage ist, die Frauen einfach umzubringen.«
»Dann können Sie ja vielleicht mit ihm sprechen.«
Victoria runzelte die Stirn. »Wie soll ich das denn anstellen?«
»Wenn er Sie wirklich beobachtet, wartet er auf ein Zeichen von Ihnen.«
»Soll ich ein Schild hochhalten, dass ich mit ihm sprechen will?«
»Natürlich nicht. Betrachten wir doch einmal seine Vorgehensweise. Er sieht etwas, das ihn an Sie erinnert: das Fußkettchen der ersten Begegnung, Ihr Parfüm, Ihr Haar. Was fällt Ihnen noch ein, was er an Ihnen mochte?«
»Er liebte es, wenn ich mich für ihn hübsch machte, wenn wir essen gingen. Ein sexy Kleid und hohe Schuhe, darauf stand er.«
»Klar. Welcher Mann nicht. Was noch?«
»Er mochte es, wenn ich mit ungekämmten Haaren am Tisch saß. Das fand er extrem sexy.«
»Gut, dann machen wir es so: Sie machen sich für ihn zurecht, ziehen Ihr schönstes Kleid an, hohe Schuhe und ungekämmte Haare. Senden Sie ein Signal, dass das nur für ihn ist. Dann setzen Sie sich in ein Restaurant. Welches, sage ich Ihnen noch. Wir sind in der Nähe und passen auf Sie auf.«
Victoria überlegte einen Augenblick, dann nickte sie zögerlich. »Das klingt ganz vernünftig. Aber Sie werden sehen, er ist es nicht.«
Die Kommissarin lächelte. »Ja, wir werden sehen.«
Sie hielt an. Sie waren am Haus von Señora Rodriguez angekommen.
»Sobald ich alles geklärt habe, melde ich mich bei Ihnen. Wir werden es noch heute Abend durchziehen.«
»Und wenn der wahre Killer ins Restaurant kommt?«
»Dann sind wir zur Stelle.«
»In Ordnung.«
Victoria stieg aus und schlug die Autotür zu.
***
Die Kommissarin rief nur eine Stunde später an, um Victoria mitzuteilen, dass in diesem Moment in einem etwas abgelegenen Fischrestaurant am Ende des Strandes alles vorbereitet würde, damit der Plan in die Tat umgesetzt werden könne. Acht Polizisten in Zivil seien im Restaurant platziert, vier weitere patrouillierten um das Gebäude herum. Und sogar zwei Scharfschützen hätte Lucia Hernandez auf die Schnelle organisieren können, die auf einem gegenüberliegenden Dach in Lauerstellung lägen. Ihr Chef wisse nichts von der Aktion, deshalb hinge alles davon ab, dass sie den Mut fände, die Sache auch wirklich durchzuziehen.
Victoria versuchte, nicht über das Vorhaben nachzudenken, die Risiken abzuwägen, denen sie ausgesetzt war. Deshalb zog sie zügig das schönste Kleid an, das sie im Schrank finden konnte. Es war dunkelrot und saß eng an ihrem Körper, betonte ihre schlanke Taille. Der tiefe Ausschnitt würde jedes Männerherz höherschlagen lassen und hoffentlich seine Wirkung auch bei Ronald nicht verfehlen. Dazu trug sie schwarze, hohe Schuhe. Ihr Haar wusch sie schnell, föhnte es jedoch nicht, sondern ließ es im Abendwind trocknen. Dadurch fielen ihre Locken wild durcheinander, als wäre sie gerade aus dem Bett gestiegen. Sie sah umwerfend aus.
Die Kommissarin hatte gesagt, dass sie alleine zum Restaurant kommen müsse, um ihren Exmann nicht misstrauisch zu machen. Daher setzte sie sich in den Bus und fuhr zum vereinbarten Ort. Wenn sie sich umdrehte, konnte sie sehen, dass der Dienstwagen von Lucia Hernandez ihr auf den Fersen folgte. Die Nervosität bekam sie dennoch nicht in den Griff.
Der Bus hielt am Anfang der Strandpromenade und fuhr dann in die Stadt weiter. Den Rest musste sie zu Fuß zurücklegen. Sie lief in ihren hohen Schuhen den Weg entlang, sehr wohl die vielen Blicke der Touristen bemerkend, auch die bewundernden Ausrufe vieler Spanier. Sie fiel auf. Aber das war auch ihre Absicht gewesen. Ronald sollte sie bemerken.
Schließlich kam sie am Restaurant an und blickte sich um. Von außen war nicht zu sehen, dass diese Lokalität heute so gut bewacht war wie ein Hochsicherheitstrakt. Für einen Moment machte sie das sehr unruhig, weil sie Zweifel spürte, ob die Kommissarin auch wirklich die Wahrheit gesagt hatte. Aber dann ging sie hinein. Sie musste ihr einfach vertrauen.
Die Räume strahlten eine angenehme Kühle aus. An den Wänden standen Aquarien mit Fischen und Krebsen darin,
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