Der geduldige Tod (German Edition)
Diebe? Niemals! Niemals Diebe zu Ihnen!«
»Was wird mit dem Garten?«
»Vielleicht ich kaufe einen Gärtner. Vielleicht.«
»Oder ich kümmere mich darum. Ich kenne mich mit Pflanzen aus, ich brauche nur jemanden, der die schwere Arbeit erledigt.«
»Ich kenne starke Männer!«, strahlte die Alte. Und damit war es beschlossene Sache, dass sich Victoria des verwilderten Gartens annehmen würde.
Die Vermieterin sagte noch ein paar nett gemeinte Sätze, dann entließ sie Victoria in ihre Wohnung. Die sah abermals schrecklich aus und roch seltsam. Aber es war hoffentlich das letzte Mal, dass die Polizei hier herumschnüffelte.
Doch bevor es sich Victoria wieder einigermaßen gemütlich machen konnte, hatte sie noch etwas anderes vor.
Der Friedhof neben der kleinen Kapelle auf dem Berg lag im Schatten hoher Zedern, ruhig und still. Die Grabkammern leuchteten weiß, als die Sonne darauf schien und die Blumen trocknen ließ.
Es war nur eine kleine Anzahl Personen, die zu Franciscos Beisetzung gekommen war, neben Victoria die Gruppe junger Leute, zu der die Tochter der Kommissarin zählte. Die junge Frau ließ die Deutsche tatsächlich in Ruhe, sie warf ihr nicht einmal böse Blicke zu.
Am Ende der Zeremonie, als alle anderen gegangen waren, stand Victoria allein vor der Grabkammer, hinter der nun Francisco neben den Gebeinen seiner Familie lag. Sie legte eine Hibiskusblüte vor die Grabplatte.
»Ich hoffe, du hast gefunden, was du suchtest, Francisco«, flüsterte sie. »Und ich hoffe, du hast deinen Frieden gemacht. Es tut mir leid, dass meine Vergangenheit dich in den Tod getrieben hat. Ich hatte keine Ahnung, dass Ronald so verrückt ist. Man kennt niemanden wirklich ganz, nicht einmal den eigenen Ehemann.
Aber vielleicht freust du dich, dass ich wieder alles überlebt habe. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, zweimal einem Serientäter zum Opfer zu fallen? In meinem Falle extrem hoch. Ich glaube, dass ich sogar ein drittes Mal überstehen würde. Und das Beste daran ist, ich habe jetzt keine Angst mehr. Jedenfalls fast keine. Ich bin es so leid, mich zu verkriechen. Ich weiß jetzt, dass ich stark bin, dass ich die Kraft habe, einem Verrückten genügend Gegenwehr entgegenzubringen. Man darf nicht aufgeben, es gibt immer eine Möglichkeit zum Überleben. Vielleicht besuche ich demnächst einen Selbstverteidigungskurs. Offensichtlich kann ich ihn gebrauchen.« Victoria kicherte leise. Sie war sich nicht ganz sicher, ob sie noch unter Medikamenteneinfluss stand oder an Hysterie litt, aber sie fühlte sich kraftvoll und beschwingt. Erleichtert und froh. Auf jeden Fall nicht mehr verängstigt und hilflos. Möglicherweise würde der Schock später einsetzen, aber vielleicht auch nicht.
»Ich werde mich dem Leben stellen, Francisco. Es will gelebt werden, und es gibt vieles, was ich mir vornehmen möchte. Ich werde mir hier einen Chor suchen und wieder singen. Vielleicht fange ich auch wieder an zu arbeiten, soweit es meine Hände zulassen. Ich beginne erst einmal mit dem Garten von Señora Rodriguez. Möglicherweise erwerbe ich dann dein Grundstück. Irgendjemand muss doch deinen Aprikosenbaum und die Weinstöcke pflegen. Ich würde gerne dafür sorgen, dass das schöne Stück Land, um das du dich so liebevoll gekümmert hast, nicht verkommt. Ich werde auf jeden Fall deinen Onkel in Hamburg kontaktieren. Und ich habe jetzt eine Katze, die mich bewacht.« Sie lachte leise auf bei diesen Worten.
»Danke, Francisco, dass es dich gegeben hat. Danke, dass du mich geliebt hast. Ohne dich hätte ich es nicht geschafft. Du hast mich durch deine Beharrlichkeit und Zuneigung aus der Dunkelheit gerissen und zurück ins Leben gebracht. Vielleicht war das Gottes Plan: dass du mir hilfst, mich dem Leben zuzuwenden, damit ich mich dem Tod ein zweites Mal stellen kann. Es tut mir leid, dass ich dir nicht genug vertraut habe, um dir zu glauben, dass du unschuldig bist. Ich hoffe, es geht dir gut, wo auch immer du jetzt bist. Ich wünsche dir, dass du nun mit deiner Familie zusammen und glücklich bist. Vielleicht sehen wir uns eines Tages wieder. Aber zuerst will ich noch ein bisschen mein Leben genießen.«
Sie drückte einen Kuss auf ihre Handfläche, dann auf die Grabplatte mit seinem Namen, hinter der er lag. Dann strich sie sanft über den weißen Stein und wandte sich ab.
Zu Hause angekommen nahm sie als erstes das Telefon zur Hand.
»Hallo Papa, ich bin‘s!«, meldete sie sich, als sie die vertraute Stimme
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