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Der geduldige Tod (German Edition)

Der geduldige Tod (German Edition)

Titel: Der geduldige Tod (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helke Böttger
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konnte. Das hatte schon bei dem Killer in Deutschland funktioniert. Es half auch hier, allerdings traf sie nicht richtig. Ihr Mann heulte zwar schmerzvoll auf, aber er stemmte seinen Unterarm in ihre Kehle.
    Victoria kämpfte erneut um ihr Leben. Panisch schlang sie die Plastikfolie wie eine Tüte eng um das Gesicht ihres Angreifers, während er ihr weiterhin die Luft abschnürte. Er versuchte, ihre Hände mit einem Ellbogenschlag abzuwehren, aber es gelang ihm nicht. Mit der Kraft der Verzweiflung hielt sie die Plane fest. Er atmete stoßweise, weil ihm der Sauerstoff ausging. Die Plastiktüte zog sich bei jedem Atemzug in seinen Mund. Als er den anderen Arm zu Hilfe nehmen musste, um Victoria abzuschütteln, rang die Frau erleichtert nach Luft, hielt die Folie jedoch umso fester. Ronald schlug panisch um sich. Er schien nicht mehr kontrollieren zu können, wohin er griff und trat. Er ließ von ihr ab.
    Victorias Herz raste.
    In ihrem Kopf dröhnte und wirbelte es, sie konnte keinen klaren Gedanken fassen, doch sie wusste, dass sie Ronald nicht töten wollte. Er war ihr Ehemann gewesen, hatte das Bett mit ihr geteilt. In guten wie in schlechten Zeiten wollten sie sich beistehen, das hatten sie einst einander geschworen. Sie wollte nicht noch mehr Schuld auf sich laden. Sie wollte kein Monster sein. Sie gehörte nicht zu ihnen. Selbst wenn es sie das Leben kostete.
    Sie ließ die Folie los.
    In seiner Todesangst fiel Ronald zur Seite und dabei auf die Enden der Plastikfolie, die sich dadurch noch fester um seinen Kopf zog. Victoria wollte ihm helfen, sich zu befreien, aber er schlug so wild um sich, dass sie von ihm ablassen musste.
    Sie sah, wie er verzweifelt nach Atem rang, doch die Folie war unbarmherzig dicht. Schließlich wurden seine Bewegungen langsamer, bis er reglos liegenblieb.
    Schluchzend hielt Victoria die Hände vor ihr Gesicht. Das hatte sie nicht gewollt.
    Dann stand sie auf und hinkte zur Tür. Sie hatte sich beim Kampf das Knie verletzt und die Füße aufgeschnitten, doch die Schmerzen nahm sie kaum bewusst wahr, sie war noch wie in Trance.
    Aufgelöst lief sie hinaus in den Sonnenschein, der sie blendete, so dass sie ihre Hände schützend vor das Gesicht legte. Doch sie kam nicht weit. Nach wenigen Schritten gaben ihre Knie nach.
     
    ***
     
    Eigentlich fiel es Kommissarin Lucia Hernandez zunächst nicht schwer zu glauben, dass Victoria sich mit den Schlaftabletten das Leben nehmen wollte. Dennoch störte sie etwas an der Vorstellung. Die Deutsche war durch ihr Erlebnis zwar psychisch schwer angeknackst, aber nicht so kaputt, dass sie jeglichen Lebensmut verloren hätte. Dafür hatte sie sich letztlich zu sehr bei der Aufklärung der hiesigen Morde engagiert. Und sprach nicht auch die Tatsache, dass sie sich von allem Alten gelöst und in einem fremden Land eine Zuflucht gefunden hatte, für einen starken Lebenswillen? Deshalb hatte sie in der Nacht, in der sie Victoria gefunden hatte, kein Auge zugetan und das Krankenhaus angewiesen, sie sofort zu benachrichtigen, sobald die Eingelieferte aufwachte.
    Der Anruf kam am späten Vormittag. Die Kommissarin hatte gerade ein letztes Telefonat mit Deutschland geführt, mit Dr. Eckehard Grabow, der noch immer praktizierte, allerdings in einer anderen Stadt. Er konnte sich kaum noch an eine Patientin namens Victoria Berger erinnern und beteuerte, er sei noch nie auf der Insel gewesen.  Daraufhin brach sie unverzüglich auf. Doch als sie im Krankenhaus ankam, war von der Patientin keine Spur zu finden.
    Sie fluchte über die mangelhaften Sicherheitsbedingungen im Krankenhaus, behielt  jedoch die Übersicht und verlangte sofort die Aufnahmen der Kameras an den Eingängen, um sie zu überprüfen. Eine Unregelmäßigkeit entdeckte sie nach nur wenigen Minuten: Zwei Sanitäter kamen mit ihrem Wagen an, verschwanden jedoch plötzlich, während ein fremder Mann durch den Eingang ins Gebäude schritt und es nur wenig später mit der Gesuchten wieder verließ.
    Sofort gab Lucia Hernandez den Krankenwagen zur Fahndung aus und erhielt nur wenig später die Information, dass er an einer Bauruine gesichtet worden sei.
    Dort angekommen stieg sie vorsichtig aus ihrem Dienstauto. Am Haus war niemand zu sehen. Sie zog ihre Waffe, die sie eigentlich nie wieder benutzen wollte, und kletterte über den Schutt in die Ruine. Ihre Augen benötigten einen Moment, um sich an die Dunkelheit darin zu gewöhnen.
    Vorsichtig schlich sie vorwärts, von einem Raum in den nächsten.

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