Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gefundene Junge

Der Gefundene Junge

Titel: Der Gefundene Junge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
gelbliche Nadeln, und seine Zunge sah aus wie ein sich windender Wurm.
    Hap drehte sich fast der Magen um, als ihm die schreckliche Wahrheit dämmerte und er sich zwang, sie auszusprechen: »Du … stiehlst … Augen !«
    Occo ließ seine langen Finger über die hervorquellenden Augäpfel in seinem Gesicht gleiten. »Ich pflücke mir, was ich brauche. Ein Fischauge, um unter Wasser sehen zu können. Das Auge eines Falken für die Ferne. Ein Katzenauge, damit ich im Dunkeln sehen kann …«
    Â»Im Ernst? Das ist ja faszinierend !«, sagte Umber und wippte aufgeregt mit seinen gefesselten Füßen.
    Haps Stimme war nur noch ein ersticktes Krächzen. »Und jetzt willst du meine Augen …«
    Occo kam langsam näher. Hap sah die gestohlenen Augen rotieren und immer schneller zwinkern. Jetzt erst fielen Hap dierosafarbenen Sehnen auf, die in den Augenhöhlen verankert waren und die Augäpfel festhielten.
    Â» Genau . Ich will sehen, was deine Art sehen kann«, sagte Occo im Näherkommen. »Ein Leben lang habe ich nach euch gesucht. Ich war schon so oft ganz nahe dran …«
    Â»Oft? Aber ich habe dich erst ein Mal gesehen.«
    Â»Nicht bei dir. Ich war eigentlich hinter dem anderen her, als ich von dir erfahren habe.«
    Â»Dem anderen?«, fragte Umber. Er versuchte, die Augenbinde an seiner Schulter abzustreifen, doch ohne Erfolg. »Meinst du WN? Du weißt nicht zufällig, wofür die Initialen stehen, oder?«
    Â»Sein Name spielt keine Rolle«, sagte Occo. »Jetzt habe ich diesen hier. Er ist von derselben Art.«
    Â»Was soll das heißen, von derselben Art ?«, fragte Hap und trat einen Schritt zurück.
    Â»Weißt du denn nicht, was du bist?«, sagte Occo. Er kam immer näher und hob die Hände. Hap starrte auf die schrecklichen Krallen an den Enden von Occos Fingern und erschauerte bei dem Gedanken daran, was sie anrichten konnten. »Du bist ein Fädenzieher , mein Junge. Du kannst sie sehen.«
    Â»Wen denn?«, krächzte Hap.
    Aus Occos Mund trat wässrige Spucke aus, und er schlürfte wieder. »Die Filamente ! Glück! Verdammnis! Schicksal!«
    Â»Meinst du … diese Lichtfäden? Aber die sehe ich nur ganz selten. Und ich weiß nicht, was sie bedeuten.«
    Â»Sie bedeuten alles .« Occo machte Ausfallschritte nach rechts und links, um Hap geradewegs in Richtung des ausgefransten Lochs zu drängen, das ins Nichts führte. Hap spürte, wie der Wind hinten an seinem Hemd zerrte. Gegen seinen Hals trommelte harter Regen.
    Â»Was ist los?«, schrie Umber und rieb in dem Bemühen, endlich die Augenbinde loszuwerden, seinen Kopf gegen den Fußboden. »Hap, du darfst ihn nicht an dich heranlassen! Lauf, mein Junge!«
    Â»Du bist gerade erst gemacht worden, nicht wahr?«, meinte Occo. »Die Sehkraft braucht Zeit. Deine Augen werden besser werden. Bald schon werden sie sehen, aber nicht für dich, sondern für mich .« Occo breitete seine langen Arme aus. Hap blieb nichts anderes übrig, als zurückzuweichen, bis seine Fersen über den Rand des Abgrunds ragten. Dutzende von Metern unter ihm brandete unablässig die See gegen die Felsen.
    Â»Ich muss Platz schaffen für deine Augen«, sagte Occo. In Haps Kehle bildete sich ein Kloß, als das blaue Auge des Widerlings, von den bebenden Sehnen abgestoßen, aus seiner Höhle glitschte. Mit Daumen und Zeigefinger riss Occo den Augapfel von den Sehnen los und ließ ihn fallen. Er klatschte nass auf den Boden. Die Sehnen öffneten sich weit und krümmten sich wie Finger, begierig, ein neues Auge aufzunehmen.
    Hap schrie hinter vorgehaltener Hand auf.
    Â»Was war das? Hap, alles in Ordnung?«, rief Umber. Er kroch wie eine Raupe auf sie zu.
    Occo lachte, und ein weiteres Auge trat aus seiner Höhle hervor. »Das Katzenauge brauche ich auch nicht mehr. Deine Augen werden im Dunkeln für mich sehen, nicht wahr, kleinerFädenzieher?« Er riss das Auge aus und warf es über Haps Schulter hinweg in das Unwetter hinaus.
    Â»Ich könnte jetzt ein wenig Hilfe gebrauchen«, stieß Hap mit belegter Stimme hervor.
    Â»Dir kann niemand mehr helfen!«, höhnte Occo. Er ging in die Knie, wie um sich auf einen Sprung vorzubereiten. Doch dann traten alle seine verbliebenen Augen auf einmal aus ihren Höhlen hervor. Er hob einen Fuß vom Boden und kreischte so laut auf,

Weitere Kostenlose Bücher