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Der geheime Auftrag des Jona von Judaea

Titel: Der geheime Auftrag des Jona von Judaea Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rainer M. Schroeder
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Morden, das sich nicht selten über Generationen erstreckte. Die Talionsformel gebot nun dieser Maßlosigkeit radikal Einhalt, besagte sie doch, dass man für ein verlorenes Auge höchstens auch nur ein Auge und für einen verlorenen Zahn auch höchstens nur einen Zahn sühnen durfte. Wer dieses Gebot der Mäßigung daher als Erlaubnis zur maßlosen Rache liest und ins Feld führt, der hat nichts verstanden und beweist nur sein Unwissen.
    Das zweite Beispiel greife ich aus dem Alltag der Bauern und Tagelöhner, die ja den überwiegenden Anteil an der Bevölkerung stellten. Da erzählt Jesus das Gleichnis vom Bauern und seinem Knecht, in dem der Letztere den Bauern fragt, ob er nicht das Unkraut zwischen dem aufsprießenden Getreide ausmerzen solle. 25 Worauf ihm der Bauer sagt, dass es ratsamer sei, das Unkraut wachsen zu lassen. Man werde diese nutzlosen Gewächse erst bei der Ernte vom Getreide trennen. Für die meisten Leser unserer Zeit und unseres Kulturraums stößt diese Anweisung gemeinhin auf Unverständnis. Auch wer wenig Ahnung von der Landwirtschaft hat, weiß doch, dass man Unkraut so schnell wie möglich herausreißen sollte, damit es in einem Garten oder auf einem Getreidefeld nicht die Gewächse überwuchert und verdrängt, die man wachsen und gedeihen sehen will. Wer jedoch Kenntnisse über die Pflanzenkultur des antiken Palästina hat - und wem werden die schon vermittelt? -, für den ergibt der Ratschlag des Bauern dagegen sehr viel Sinn. Denn damals wuchs dort ein Unkraut, das im frühen Wachstum dem jungen Getreide zum Verwechseln ähnlich sah und sich erst später deutlich von diesem unterschied. Erst wenn man das weiß, kann man das Gleichnis richtig verstehen und begreifen, was Jesus damit hat sagen wollen, nämlich dass man auch mit dem scheinbar unnützen Menschen Geduld haben und ihm Zeit zum Reifen lassen soll, damit sich herausstellen kann, ob er zur guten oder zur schlechten Frucht gehört. Und derartige Gleichnisse und Anspielungen, die nur mit dem Wissen über derlei alltägliche Dinge zur Zeit Jesu richtig zu bewerten sind, finden sich in der Bibel zuhauf.
    Bei dem dritten und letzten Beispiel geht es um den scheinbar völlig unverständlichen Satz »Ihr seid wie Gräber, die man nicht mehr sieht; die Leute gehen darüber, ohne es zu merken!« 26 , den Jesus anklagend gegen die Pharisäer erhebt. Was kann man als Mensch des 21. Jahrhundert mit solch einem Vorwurf anfangen? Nichts, wie es scheint, und man liest darüber hinweg, sofern man die Bibel überhaupt liest. Aber weder das Alte noch das Neue Testament erschließt sich einem in seiner Fülle, wenn man über kein grundlegendes Wissen über die antike jüdische Kultur und die Gesetze der Tora verfügt. Wer sich jedoch mit diesen Grundlagen des Judentums beschäftigt hat, die zudem das unumstößliche Fundament des Christentums sind, der weiß an dieser Textstelle sofort, wie schwer wiegend und beleidigend Jesu Vorwurf an einen Teil der Pharisäer war, die sich doch für so fromm und gesetzestreu hielten. Gräber galten nämlich als in höchstem Maß kultisch unrein und waren daher zu meiden (siehe auch die Empörung und heftige Auseinandersetzung zwischen Herodes dem Großen und der jüdischen Bevölkerung, als er Tiberias auf einem einstigen jüdischen Gräberfeld errichten ließ!). Und damit man auch sofort sah, dass man eine Grabstelle vor sich hatte, galt die Vorschrift, diese weithin sichtbar weiß zu tünchen. Ein ungetünchtes Grab stellte damit für einen frommen Juden, der in extremem Maße auf seine kultische Reinheit bedacht war, eine erhebliche Gefahr dar, sich bei ahnungslosem Kontakt mit diesem selbst unrein zu machen - und danach jeden anderen, mit dem er in Berührung kam. Erst vor diesem Hintergrund erhält Jesu Anklage ihre große Brisanz.
    Wer also als Glaubender oder auch als an Historie interessierter Atheist oder gar als erklärter Feind christlichen Gedankenguts die Bibel richtig lesen, verstehen und in seinem Sinne einsetzen will, der muss sich erst so kundig machen, wie es auch auf anderen Gebieten von ihm verlangt wird, um wirklich sachkundig mitreden und kritisieren zu können. Mit seinem ärmlichen Kinderwissen kommt er dagegen nicht weit und wird nur eine gehaltlose Stimme mehr im Geplapper derjenigen sein, die glauben, sich ein Urteil erlauben zu können. Ein wenig zu diesem Sachwissen über Jesus und seine Zeit beizutragen, war einer der Gründe, die mich veranlasst haben, diesen Roman zu

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