The Tsar of Moscow (German Edition)
~ 1 ~
Gestresst betrat Bhreac Walker seine geräumige Suite in der Moskauer Villa. Der Tag war anstrengend gewesen. Es verlangte ihm viel zu viel Kraft ab, das Familienimperium ganz allein zu führen und seine privaten Geschäfte nebenbei weiterzuleiten. Womöglich wurde es allmählich Zeit, Abstand vom Waffenhandel zu nehmen. Wenn er nur nicht den Nervenkitzel so genießen würde …
Er zog das Sakko aus, reckte sich und freute sich bereits auf einen erlesenen Rotwein, der ihn hoffentlich in bessere Stimmung versetzen würde. Da fiel ihm der weiße Umschlag auf dem massiven Schreibtisch ins Auge. Mit einem Stirnrunzeln nahm er ihn an sich. In geschwungenen Buchstaben stand sein Name darauf. Die Schrift war ihm seit Jahrhunderten vertraut und als er den Brief umdrehte, fand er den erwarteten Absender. Zu seiner Überraschung zierten weder eine Briefmarke noch ein Poststempel das Kuvert. Das konnte bloß bedeuteten, dass der Brief per Boten gebracht worden war. Wieso hatte man ihn nicht unverzüglich informiert? Fraser wusste schließlich genau, was der Absender für ihn bedeutete. Bhreac ließ sich in den Schreibtischsessel sinken und fuhr gedankenverloren mit dem Finger über den Namen desjenigen, der ihm diesen Umschlag sandte: Songlian!
Er lehnte sich in dem Sessel zurück und fragte sich, welche Gefühle sein kleiner Bruder heute in ihm auslöste. Vor wenigen Monaten hätte er Songlian mit Vergnügen umgebracht. Doch dann hatte er ihm sogar das Leben gerettet, indem er ihren gemeinsamen älteren Bruder Lorcan getötet hatte. Und warum? Bhreac seufzte tief und gestand sich endlich die Wahrheit ein. Er hatte Lorcan erschossen, damit Far seine einzige und wahre Liebe nicht verlor. Was ihn zu der Tatsache führte …
„… dass ich wiederum Far, verdammt noch mal, geliebt habe“, murmelte er leise und fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. Ja, zum Kuckuck! Er hatte an Far Baxter einen Narren gefressen. Aber dessen Herz war für ihn unerreichbar gewesen. Eine gewaltige Last schien Bhreac von der Seele zu fallen. Liebe war schmerzhaft, bis man sie akzeptierte. So war das also. Und alles, was ihm blieb, war eine bittersüße Erinnerung.
Was konnte Songlian von ihm wollen, dass er ihm per Boten einen Brief bis nach Moskau sandte? Hätte er nicht anrufen oder eine Mail schicken können? Die Tage, in denen man einen Kurier auf einem schnellen Pferd beauftragt hatte, waren lange vorbei.
Bhreac riss das Kuvert auf. Songlians Schriftbild war ihm seit Kindertagen vertraut. Sie sprang ihn regelrecht an, rührte etwas in ihm.
„Ich habe dich damals ganz schön geplagt“, murmelte er mit einem winzigen Lächeln, das schwand, als er dachte: Und vor Monaten habe ich dich deiner härtesten Prüfung ausgesetzt. Irgendwie tat es ihm heute beinahe leid. Als er den zu Tode verurteilten Songlian in Paris verließ, hatte er tatsächlich Trauer verspürt. Eine Empfindung, welche ihn dagegen beim Auslöschen seines ältesten Bruders nicht befallen hatte. Den Gedanken abschüttelnd begann Bhreac zu lesen. Neugierig erst und gleich darauf ungläubig. Zum Schluss lachte er.
„Soll das ein Witz sein?“ Mit dem Brief in den Fingern ging er zur Tür, riss sie auf und brüllte:
„Fraser! Wo ist der, der das Schreiben gebracht hat?“ Sofort nahm er hastiges Fußgetrappel wahr.
„Ich bin hier“, hörte er plötzlich eine Stimme in seinem Rücken. Bhreac wirbelte herum. Aus einem Ohrensessel in der Ecke des Zimmers erhob sich eine schlanke Gestalt. Ein Vampir, menschgeboren, wie er mit einem kurzen geübten Blick gleich erkannte. Gespürt hatte er ihn nicht, zum einen da sein Haus ohnehin voller Blutsauger war und zum anderen, weil er sich müde und erschöpft fühlte. Ärgerlich schmetterte er die Tür direkt vor Frasers Nase ins Schloss und ging einige Schritte auf den Fremden zu. Unter einem braunen Lockenschopf sahen ihm große grüne Augen unerschrocken entgegen.
„Bist du dieser Phillip, von dem So-lian schreibt?“
Sein Gegenüber nickte.
„Und Fraser hat dir gestattet, dich allein in meinen privaten Räumen aufzuhalten?“
„Ich habe ihm gegenüber behauptet, dass du das so wolltest. Da ich zukünftig der Mann an deiner Seite sein werde …“
Das war nicht nur dreist, das war geradezu unverschämt. Bhreac hob Songlians Brief an, den er noch festhielt, und las:
Phil ist etwas … speziell. Ich bitte dich, ihm nicht gleich den Hals umzudrehen. Warte wenigstens eine Weile …
Es schien, als hätte sein
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