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Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition)

Titel: Weiße Geheimnisse: Historischer Roman (Hohen-Lützow-Saga) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carola Herbst
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Ankunft
     
    Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin, Juli 1816
     
    Die Silhouette des Reiters zeichnete sich vor dem schwindenden Licht der Dämmerung ab. Das Pferd war müde. Hals und Flanken bedeckte angetrockneter Schweiß, dessen herbe Süße die Abendluft würzte. Unwillig gab das Tier durch dauerndes Kopfnicken zu verstehen, dass eine Rast längst überfällig sei. Aber dem Reiter entging der stumme Protest. Er döste vor sich, schien gar einzuschlafen, denn das Kinn sank ihm immer öfter gegen die Brust.
    Als das Pferd kurz einknickte, weil es mit dem rechten Huf der Vorderhand in eine Unebenheit geraten war, schreckte sein Reiter hoch
    „Hast ja recht, mein Guter“, murmelte er schlaftrunken, „wir sind mal wieder viel zu lange auf der Straße, aber heute wird unsere Mühe belohnt. Nur zu, mein Guter, wenn wir den nächsten Hügel genommen haben, müssten wir es sehen können.“
    Aufmunternd tätschelte er seinem Pferd den Hals. In diesem Moment dürfte es Witterung von Artgenossen aufgenommen haben. Es straffte den Körper und beschleunigte seine Schritte, ohne dass es der Aufforderung des Reiters bedurft hätte.
    „Oha, du hast wohl Hafer und Kleie in der Nase, was? Dann komm, lass uns einkehren!“ Der Reiter schnalzte mit der Zunge, nahm die Zügel auf und verlagerte sein Gewicht im Sattel, als Umrisse eines großen Herrenhauses aus dem Schatten der lauen Sommernacht wuchsen. Die überraschend aufgetauchte Aussicht auf lange vermisste Annehmlichkeiten mobilisierte bei Ross und Reiter nicht mehr vermutete Kraftreserven. Freudig wiehernd fiel das Pferd in eine schnellere Gangart. Die letzte Wegstrecke legte es sogar im Galopp zurück.
     
    Hufgetrappel und aufgeregtes Hundegebell auf dem Wirtschaftshof des Rittergutes derer von Klotz rissen den Verwalter Hermann Stein aus seinen Gedanken. Sie fielen jedes Mal über ihn her, sobald er sich in das Arbeitszimmer des Verwalterhauses zurückzog. Seit dem frühen Nachmittag hatte er das Zahlenwerk der Bücher aufaddiert. Er hatte den Vierteljahresbericht für seinen Dienstherrn fertigzustellen. Und nun – angesichts der Zahlen, die schwarz auf weiß in den Büchern geschrieben standen – fand er seine schlimmen Erwartungen bestätigt. Stein stellte sich vor, wie Friedrich Graf Klotz, Grundherr von Hohen-Lützow, auf den neuen Bericht reagieren mochte und weil er seinen Dienstherrn gut kannte, beschlich ihn Unbehagen.
    Als der Lärm durch das offene Fenster zu Stein hereinwehte, sprang der drahtige Mann auf und griff unwillkürlich nach seinem Jagdgewehr.
    „Verdammt, wer könnte das sein?“, fragte er halblaut. Erst jetzt wurde er sich der Waffe bewusst, die kalt und schwer in seinem Arm lag.
    Die Zeit der Besetzung des Herzogtums durch napoleonische Truppen und die Wirren der Freiheitskriege hatten alle Bewohner des Gutes, der umliegenden Dörfer und Bauernstellen gelehrt, wachsam zu sein. Und es war noch gar nicht lange her, da kursierten in der Gegend beunruhigende Berichte über Banden von Brandschatzern. Solche marodierenden Haufen setzten sich oft aus Landstreichern und Vagabunden zusammen, die der Krieg entwurzelt und zu Verbrechern gemacht hatte.
    Jede Abweichung des normalen Tagesablaufes wurde wahrgenommen, hinterließ Spannungen, die nur langsam verebbten. Und Gäste zu dieser Tages- bzw. Nachtzeit gehörten gewiss nicht zum Alltag von Hohen-Lützow.
    Entschlossen wandte sich Hermann Stein der Tür zu, bereit die Ursache für den nächtlichen Aufruhr zu ergründen. Er fasste den schwergängigen Riegel ins Auge, der längst hätte gefettet werden müssen. Doch als er nach ihm griff, sprang der auf und die Tür wurde wie von Geisterhand aufgerissen. Stein stockte der Fuß und im nächsten Augenblick prallte er mit der fülligen Köchin zusammen.
    „Herrje, Elsi! Musst du mich so erschrecken“, entrüstete er sich, als er merkte, von der Frau im Nachthemd gehe keine Bedrohung aus. Alarmiert wegen ihres absonderlichen Betragens fragte er barsch: „Was ist da draußen los und wieso rennst du mich fast um?“
    Elsi Schulz rappelte sich auf, kontrollierte mit einem hastigen Griff den Sitz ihrer Haube, dann fiel ihr Blick auf den matten Glanz des Gewehrlaufes und den Gesichtsausdruck des älteren Mannes. Ihre Augen weiteten sich.
    „Um Gottes willen, Herr Stein, machen Sie sich nicht unglücklich ...“, brachte sie heraus und rang die fleischigen Hände.
    Steins Mienenspiel wechselte von Ärger in Erstaunen. Elsi schien einzusehen, sie schulde dem

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