Der Geist des Nasredin Effendi
reihte sich Nasreddin ein, und geschickt fädelte er sich hinter einer dicken Frau durch die Pendeltür.
Wenig später kam er sich vor, wie in ein Märchen aus tausendundeiner Nacht versetzt. Das war kein Basar, das war das Paradies. Und einen Augenblick dachte er wieder daran, ob er, vielleicht doch getötet, in Allahs Reich Gnade gefunden hatte. Wie im Traum wandelte Nasreddin zwischen den Verkaufstischen und betrachtete wie mit Kinderaugen die Schätze in den Regalen.
Es mußte dies ein Ausstattungshaus für Emire und Chane sein, dessen war er sich nach dem ersten Eindruck sicher. Buntes Geschirr gab es, bunte Schmetterlinge auf schneeweißem Untergrund. Nicht einen Teller als wohlgelungenes Stück eines Meisters, nein, Hunderte. Und Tassen. Glänzende Töpfe, einer wie der andere und ganz ohne Spuren des Treiblings. Dort drüben, ha, Birnen in festen, durchsichtigen und ebenmäßigen Säcken, kleine bunte Häuschen auf Rädern, ganz ähnlich den großen, die nicht weit von hier auf der Straße fuhren.
Plötzlich wich er ein paar Schritte von einem Stand zurück. Ein Teufelsding stand da. Kleine Menschen in farbigen Trachten sangen und tanzten auf einer Scheibe, die nicht größer war als einer von den Riesenbrotfladen, die es in diesem Ausmaß nur in Choresm gab. Und nicht genug. Ein junges Mädchen mit schwarzen Augen und dicken Zöpfen bis zu den Hüften, auf dem Kopf eine prächtige gestickte Tjubeteika, tat leicht etwas mit den Fingern an dem Kasten, in dem sich der Fladenschirm befand. Und statt der Tänzer und Sänger saß da ein dicker Mann, der pausenlos in einer unbekannten Sprache redete und dem Beschauer unablässig in die Augen sah. Erneut gab es einen Knack, und – Nasreddin wagte kaum hinzuschauen, so schämte er sich – wenig bekleidete Mädchen sprangen von einem stattlichen Gerüst unter allerlei Körperverrenkungen. Fast hätte er aufgeschrien, wenn er nicht im letzten Augenblick das Wasser bemerkt hätte, das den Sprung sanft auffing…
Als der Mann jedoch begriff, daß seine Scham völlig unangebracht war, viele blickten hin – manche gleichgültig, sogar gelangweilt –, gab er sich auch ganz diesem seltenen Anblick hin. Und es waren da schwarze und hellhaarige, schlanke und mollige Mädchen, die ins Wasser tauchten…
Nasreddin stand verzückt und schaute, vergaß die Welt um sich her…
»Seht euch den an«, hörte er da plötzlich. Ein Kichern folgte. Erschrocken wandte er sich zur Seite. Hinter einem Tisch standen zwei dieser glutäugigen, mittelalterlichen, drallen Usbekinnen, hatten die Köpfe zusammengesteckt, lachten und tuschelten, sahen aber unablässig zu ihm herüber.
Schnell hatte er sich gefangen. »Wißt ihr, Tantchen«, sagte er. »Auch den Augen muß man eine Freude gönnen. Schon zu viele wie euch habe ich heute gesehen.« Und mit einem letzten Blick auf diese Teufelskiste wandte er sich ab, aber ein kleiner Seufzer der Entsagung rang sich noch aus seiner Kehle. »Hört euch den Frechdachs an!« sagte die eine. – »Er ist wohl mehr auf den Kopf als aufs Maul gefallen«, die andere.
Aber sie lachten noch, als er scheel über die Schulter zurückblickte.
Vor ihm kauften junge Frauen Kleider oder wählten zwischen flammend bunt gefärbten Stücken, wie sie nur für Prinzessinnen gefertigt sein konnten oder für die Lieblingsfrau des Chans. Auch Nilufar hätte sich darin sehen lassen können…
Nilufar…
Aber wie Prinzessinnen oder gar Lieblingsfrauen sahen diese, die respektlos in den Kostbarkeiten wühlten, wahrlich nicht aus. Niemand sah aus, als käme er vom Hof des Chans.
Nun schaute Nasreddin genauer hin. Vor ihm kaufte ein Alter ein Messer, ein schönes Messer, wie es Schuchrad, der Schmied, niemals hätte anfertigen können. Der Alte trug einen schmuddligen Chalat, und seine Schuhe legten Zeugnis ab, daß er einen weiten Weg in Staub und Lehm zurückgelegt hatte. Der Mann prüfte mit dem Daumen die Schneide, wiegte zufrieden den Kopf und schob, o Wunder, dem Mädchen hinter dem Tisch, einer schmalen Sommersprossigen – Allah, wie vielfältig sind die Antlitze der Frauen, und gepriesen seist du, daß du sie mich schauen läßt! –, einige zerknitterte Papierchen über den Tisch. Und diese wie im Regen gesprenkelte Blüte nahm die schäbigen Scheinchen und tauschte dafür das Messer. Der Alte schlurfte hinaus, schob das Erstandene in den fleckigen Chalat. »Bitte, was wünschen Sie?«
Nasreddin, noch nicht über sein Wundern hinaus,
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