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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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am Strick, mit dem er den Esel angebunden hatte, schwang sich dann auf das Tier, gab ihm die Fersen, und im Trab ging’s auf die Straße zu, die er gekommen war. Als er sich umdrehte, sah er hinter sich die beiden Jungs, die ihm nachrannten und lachten.

    Nasreddin beruhigte sich schnell. Im Grunde war nichts geschehen, außer daß er sich sehr ungeschickt angestellt hatte. Aber es wurmte ihn, daß dieses Ungeschick aus seinem Nichtbegreifen, aus seiner Unwissenheit sproß. Und es machte ihn schon der Gedanke unsicher, daß noch vieles geschehen konnte, was er erneut nicht übersah, was ihn wieder in Furcht und Verlegenheit stürzen konnte.
     Doch später, als Mann und Esel wieder Tritt gefaßt hatten, als das dumpfe Trapsen der Hufe auf dem schwarzen Belag der Straße die Augenlider schwer machte, schlußfolgerte Nasreddin, daß er eben zunächst, um Ungemach zu begegnen, sich zurückhaltender verhalten, mehr beobachten mußte, wenn er nicht abermals und immer wieder hereinfallen wollte. Ist die Welt verrückt, auf den Kopf gestellt – na gut! Habe ich gelernt, daß Blitz und Donner aus Gewitterwolken ebenso folgerichtig kommen wie die Stockhiebe auf einen ungehorsamen Schüler, so wird sich auch begreifen lassen, was den Allmächtigen und den Gebieter bewogen haben mochte, von heute auf morgen das Unterste zuoberst zu kehren.
    Immerhin, Wertvolles habe ich ja schon erfahren bei diesem Intermezzo, Wertvolles und eigentlich Ungeheuerliches. Oder ist es nicht ungeheuer, wenn sich Kinder und Greise kleiden können wie Fürsten? Wenn sie im fleckigen Chalat in herr schaftlichen, überdachten Basaren herumscharwenzeln, das Messer nicht vom Hundertschaftsführer wie ein Heiligtum entgegennehmen, sondern es selbst gegen ein paar lächerliche papierne Zettel tauschen? Ich sagte es schon: Die Welt steht auf dem Kopf; und bestimmt steckt eine Teufelei Timurlenks dahinter! Ich werde es noch herausbekommen.
     Nasreddin gab dem Esel die Fersen, so daß dieser ein paar schnellere Schritte machte. Die Straße führte noch immer schnurgerade – jetzt beiderseits von Baumwollfeldern gesäumt – von Chiwa weg.
     Aber eine ausgezeichnete Sache ist das mit diesen Scheinchen! Nasreddin griff nach dem erstandenen Messer, hieb damit nach einem Zweig, der von einem Busch bis zum Straßenrand ragte. Und beinahe hätte ich diese Papierchen mißachtet. Er dachte an den Rotzjungen, der sie gezählt hatte. Die Scheinchen müßten noch für etliche dieser Messer gut sein!
     Nasreddin fühlte danach – und erschrak durch und durch. Das Bündel befand sich nicht in der Tasche des Chalats. Er fingerte nervös nach den anderen eingenähten Säckchen, aber bereits in der Gewißheit, daß es ergebnislos sein würde. Eine heiße Welle stieg in ihm hoch. Er sprang vom Esel, griff hier- und dorthin. Aber ihm wurde immer klarer, daß das Bündel nicht mehr da war, daß es nicht mehr dasein konnte, weil es in jener Basarhalle in einem Regal neben einem Haufen gelber Paprikaschoten lag, von ihm dort deponiert, als er mithalf, diese vom Teufel selbst in den Weg gestellten Apfelwalzen wieder aufzutürmen.
    Sein erster Gedanke war, den Esel zu wenden und zurückzureiten. Aber resignierend ließ er diese Idee fallen. Zuviel hatte er in seinem Leben erfahren. Jedermann wußte offenbar um den Wert dieser Scheinchen, und immer schon, seit Allah die Welt geschaffen hatte, befanden sich unter hundert Menschen mindestens zwanzig Spitzbuben, die noch stets eine derartige Gelegenheit ausgespäht und genutzt hatten. Nasreddin seufzte. »Du stellst deinen gläubigen Sohn, o Allah, auf harte Proben«, sagte er, sich abfindend, vor sich hin. »Aber wenn du es so willst…« Er zog die Schultern an und ließ sie herabfallen. Dann blickte er in die Körbe; ein geringer Vorrat an Obst und eine Pirogge befanden sich noch darin.
     Weiter ritt Nasreddin, aber gedämpfter Stimmung und mit zunehmender Sorge um die Zukunft. Er konnte nicht ewig diese Straße entlangreiten, zumal wenn sie tatsächlich, wie es den Anschein hatte, ins Unendliche führte.
     Später, die Sonne brannte noch heiß herab, neigte sich jedoch bereits deutlich zum Horizont, überlegte Nasreddin abermals, ob er nicht doch zum Kischlak zurückkehren sollte. Nicht der Scheinchen wegen, die hielt er nach wie vor für unwiederbringlich verloren, nein, um dort unter Menschen zu sein, die Nacht und vielleicht die nächsten Tage unter ihnen zu verbringen. Er zählte sich nicht zu jenen, die ihr Leben –

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