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Der Geist des Nasredin Effendi

Der Geist des Nasredin Effendi

Titel: Der Geist des Nasredin Effendi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kröger
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und so lebendig…«
     Sie nickte nachdenklich. »Trotzdem«, sagte sie, schon Nasreddin folgend, der sich auf die Medrese zubewegte. »Es darf sich so etwas nie wiederholen, und niemand weiter sollte es erfahren.«
     »Sie verzögern damit nur, halten nicht auf. Eines Tages kommt ein anderer darauf.«
    »Vielleicht, aber es ist mein Gewissen, und ich habe nur das eine…«
    »Er wird doch kein Hehl daraus machen…«
     Anora hob die Schultern. »Verkennen Sie ihn nicht, und außerdem…«, sie sah Boderow verschmitzt an, »er ist Nasreddin!«

    Am Morgen des folgenden Tages warteten Anora und Boderow in der Halle des Hotels auf Nasreddin.
     »Das kenne ich an ihm gar nicht«, sagte nach einer Weile Anora, »sonst ist er immer pünktlich.«
     »Wir haben Zeit«, antwortete Boderow. »Es wird ein schwerer Gang für ihn. Möchten Sie Ihren abgeschlagenen Kopf bewundern, brr.«
    Sein makabrer Scherz heiterte sie nicht auf.
     Aus dem Lift trat ein stattlicher Mann, blickte sich suchend um, dann kam er zielstrebig auf die Wartenden zu.
     Boderow wollte schon zur Seite treten, um ihn vorbeizulassen, da schrie Anora auf: »Nasreddin!«
     Der auf sie Zutretende lächelte, strich über die Revers des neuen Anzugs. »Nasreddin!« Auch aus Boderows Stimme klang Überraschung.
     In einem gutsitzenden Anzug stand der mit solchen Ausrufen Begrüßte vor ihnen und – ohne Bart. Und sie konnten nicht verhehlen, es stand ihm!
    Vor Antritt der Reise hatten sie Anzug und Zubehör gekauft, auf Drängen von Gusal eigentlich. Und Nasreddin hatte versprochen, ihn, wenn nötig, anzuziehen. Aber Anora hatte damals in dem Versprechen schon gespürt, daß dieser Fall aus seiner Sicht wohl nie eintreten würde. Und jetzt auf einmal! Und wie stolz ist ein Muselman auf seinen Bart. Und jener war dicht und machte sehr männlich…
     Als stünde ein Fremder vor ihr, kam es Anora vor. Und auch Boderow schien beträchtlich verunsichert. Dazu trug wohl auch der nun so offen zur Schau gestellte Gesichtsausdruck Nasreddins bei. Irgendwie aber schien es Anora, als habe sie dies alles schon einmal erlebt, einen Menschen mit solch einem gefaßten, ein wenig wehmütigen, ein wenig heiteren Gesicht, das irgendwo wie eine Maske war… Und plötzlich fiel es ihr ein: Als damals Akin, ihr Freund, sich von ihr verabschiedete auf dem Flugplatz, als sie noch nicht wußte, daß es ein Abschied für immer sein würde, da hatte Akin ein solches Gesicht gehabt. Und sie ahnte, was der Wechsel der Kleidung, das Abschneiden des Bartes bedeuten könnte. Er begräbt das alte Ich…!
     Und Anora war, als kröche etwas von dem Schmerz, den jener Mensch empfinden mochte, in sie. Und sie wußte, wäre es nicht Nasreddin, der Heitere, Großmütige, Nasreddin, der Verstehende, der Weise…, wer weiß, ob es für einen anderen nicht tödlich wäre, dieses Herausreißen aus der einen und das Hineinstoßen in eine andere Welt. Anora schwor sich in diesem Augenblick, das Ihre zu tun, um soviel wie möglich gutzumachen.
    »Gehen wir?« fragte Nasreddin.
    »Gehen wir!« sagte Anora.

Nach Chiwa

    Nachdem Gusal sich zur Begrüßung ein wenig verschämt an Nasreddin geschmiegt hatte, drückte sie ihm ein längliches Kuvert in die Hand, ein geschäftliches, worauf der gedruckte Absender schließen ließ.
     Sie hatte es sich nicht nehmen lassen, ihn in Urgentsch am Flugfeld abzuholen.
     Von Anora hatte er sich bereits im Flugzeug verabschiedet, nicht ohne ihr das Versprechen abzunehmen, daß sie sich in den nächsten Tagen vor ihrer Rückkehr in ihre Heimat treffen würden.
     Boderow hatte die beiden bereits in Buchara verlassen, überglücklich, denn Nasreddin hatte beinahe zwei Tage lang Fragen über Fragen beantwortet.
     Am liebsten wäre Anora ohne Abschied, ohne ihn noch einmal zu sehen, abgereist. Die letzten Tage und Stunden breitete sich Traurigkeit in ihr aus, ohne daß sie es sich anmerken ließ. So mußte einer Mutter zumute sein, dachte sie einmal, wenn ihr einziger Sohn in die Ferne, in eine ungewisse Zukunft zieht. Gewiß, um Nasreddin war’s ihr nicht bange. Aber die wenigen Wochen hatten es sehr deutlich gemacht: Er gehörte und hatte schon immer gehört zu jenen Menschen jenseits des Grabens, der auch zwischen ihr und ihnen klaffte, wenngleich sie das in diesen Wochen nicht wahrhaben wollte. Er würde dort glücklich sein, wo er viel von dem, was er vor fünfhundert Jahren erträumt oder ersehnt hatte, verwirklicht sah…
    Aber es blieb noch einiges zu

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