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Der gekreuzigte Teufel

Der gekreuzigte Teufel

Titel: Der gekreuzigte Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ngugi wa Thiong'o
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Gesicht verriet jedoch Reife. Sein pechschwarzes Haar war voll und dicht, er trug einen Spitzbart, der dem eines kleinen Ziegenbocks glich. Aus seinen dunklen Augen leuchtete das Licht, das vieles zu erkennen vermag, was in der Ferne verborgen liegt … Er trug khakifarbene Jeans und eine braune Lederjacke. Unter seinem linken Arm steckte eine schwarze Ledertasche. Der junge Mann erklärte Wariinga, wie er in den Besitz ihrer Handtasche gelangt war.
    »Du hast sie in der River Road verloren, in der Nähe der Haltestelle Tearoom , wo die Matatus nach Nyeri und Marang'a halten. Ich hob sie auf und folgte dir. Du hast wirklich Glück gehabt heute — du hättest leicht überfahren werden können. Wie ein Blinder, der Hasch geraucht und deshalb verwegen ist, überquertest du die Straßen und liefst mitten durch den Verkehr. Ich holte dich ein, als du beinahe umfielst, ich nahm deine Hand und führte dich in den Schatten. Seitdem habe ich nichts anderes getan, als darauf gewartet, daß du aus dem unbekannten Land zurückkehrst, in das dich Leid und Trübsal des Herzens entführt hatten.«
    »Wer hat dir gesagt, daß ich weit weg war?« fragte Wariinga.
    »Dein Gesicht, deine Augen, deine Lippen«, erwiderte der junge Mann.
    »Ich bin so froh, daß meine Handtasche wieder da ist«, sagte Wariinga. »Ich bemerkte überhaupt nicht, daß ich sie verloren hatte, und außer dem Geld in der Handtasche habe ich keinen Cent bei mir.«
    »Mach auf und sieh nach, ob noch alles drin ist, vor allem das Geld«, sagte der junge Mann.
    »Es war nicht viel Geld drin«, bemerkte Wariinga kläglich.
    »Trotzdem, schau lieber nach. Weißt du nicht, daß normalerweise der Zwei-Groschen-Dieb gehängt wird?«
    Wariinga öffnete die Tasche, schaute ohne großes Interesse hinein und sagte ihm, es sei noch alles darin.
    Eine Frage beunruhigte sie: Hatte die Stimme dieses Mannes ihr Einhalt geboten, als sie sich vor den Bus werfen wollte? Wie hatte er ihre Gedanken erraten können? Woher wußte er, daß sie nicht zum ersten Mal versucht hatte, sich das Leben zu nehmen? Sie fragte ihn deshalb: »Hast du mit mir gesprochen, ehe ich ohnmächtig wurde?«
    Der Mann verneinte. »Ich kam in dem Augenblick, als du fast umfielst. Bist du krank?«
    »Nein«, antwortete Wariinga schnell. »Nur völlig erschöpft — von Nairobi.«
    »Das glaube ich dir gerne«, sagte der junge Mann. »Nairobi ist groß und schrecklich.« Er rückte näher an Wariinga heran, lehnte sich an die Wand und fuhr fort: »Nicht nur Nairobi leidet an dieser Krankheit. Sie grassiert in allen Städten der Länder, die erst vor kurzem dem Kolonialismus entronnen sind. Für solche Länder ist es schwierig, die Armut abzuschütteln, und warum? Weil sie sich dafür entschieden haben, sich von amerikanischen Experten sagen zu lassen, wie die Wirtschaft ihres Landes auszusehen habe. Man brachte ihnen die Grundsätze und Programme des Eigennutzes bei und zwang sie gleichzeitig, die alten Lieder, in denen die Gemeinschaft beschworen wurde, zu vergessen. Die Lieder und Hymnen, die man sie lehrte, priesen die Herrlichkeit des Geldes. Deshalb lautet heute in Nairobi die Lehre:

    Betrug den Ehrlichen,
    Gemeinheit den Gütigen,
    Haß denen, die lieben,
    Böses den Guten.
    Und das heutige Tanzlied geht so:

    Einer, der klaut, tut es nie für den anderen,
    Einer, der stiehlt, tut es nie für den anderen,
    Einer, der eine Reise unternimmt, reist nie für den anderen;
    Wo ist der Suchende, der für den anderen sucht?
    Bedenke das alles und dann frage dich: Wohin werden uns solche Lieder führen? Welchen Geist geben uns diese Lieder ein? Daß wir uns krumm lachen, wenn wir sehen, wie sich unsere Kinder wie Katz und Hund um Abfälle aus den Mülleimern streiten?

    Auch der Weise kann noch Weisheit lernen,
    Deshalb laß dir sagen:
    Gikuyu lehrte einst: Reden ist der Weg zur Liebe;
    Das Heute ist die Schatzkammer von morgen;
    Morgen werden wir ernten, was wir heut säen.
    Deshalb wollen wir uns fragen:
    Wem hat Klagen und Jammern je genützt?
    Von jeher hast du denselben Samen gesät —
    Nimm eine andere Saat, denn die Samenkörner in der Kalebasse sind nicht alle gleich!
    Von jeher hast du denselben Schritt getanzt —
    Wechsle den Schritt, denn das Lied hat nicht nur einen Rhythmus!
    Beim Muomboko tanzt man heute Zwei Schritte auf eine Drehung!«
    Unvermittelt hielt der junge Mann inne. Seine Stimme und seine Worte jedoch blieben ihr noch lange im Gedächtnis.
    Sie verstand nicht alles, was der Mann mit

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