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Der Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion

Titel: Der Gesamtprozess der kapitalistischen Produktion Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl Marx
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gegenübertritt, dies Wucherkapital verelendet diese Produktionsweise, lähmt die Produktivkräfte, statt sie zu entwickeln, und verewigt zugleich diese jammervollen Zustände, in denen nicht, wie in der kapitalistischen Produktion, die gesellschaftliche Produktivität der Arbeit auf Kosten der Arbeit selbst entwickelt wird.
    Der Wucher wirkt so einerseits untergrabend und zerstörend auf den antiken und feudalen Reichtum und auf das antike und feudale Eigentum. Andrerseits untergräbt und ruiniert er die kleinbäuerliche und kleinbürgerliche Produktion, kurz alle Formen, worin der Produzent noch als Eigentümer seiner Produktionsmittel erscheint. In der ausgebildeten kapitalistischen Produktionsweise ist der Arbeiter nicht Eigentümer der Produktionsbedingungen, des Ackers, den er bebaut, des Rohstoffs, den er verarbeitet, etc. Dieser Entfremdung der Produktionsbedingung vom Produzenten entspricht hier aber eine wirkliche Umwälzung in der Produktionsweise selbst. Die vereinzelten Arbeiter werden in großer Werkstatt vereinigt zugeteilter, ineinandergreifender Tätigkeit; das Werkzeug wird zur Maschine. Die Produktionsweise selbst erlaubt nicht mehr diese mit dem kleinen Eigentum verbundne Zersplittrung der Produktionsinstrumente, sowenig wie die Isolierung der Arbeiter selbst. In der kapitalistischen Produktion kann der Wucher nicht mehr die Produktionsbedingungen vom Produzenten scheiden, weil sie bereits geschieden sind.
    Der Wucher zentralisiert Geldvermögen, wo die Produktionsmittel zersplittert sind. Er ändert die Produktionsweise nicht, sondern saugt sich an sie als Parasit fest und macht sie miserabel. Er saugt sie aus, entnervt sie und zwingt die Reproduktion, unter immer erbärmlichern Bedingungen vorzugehn. Daher der populäre Haß gegen den Wucher, am höchsten in der antiken Welt, wo das Eigentum des Produzenten an seinen Produktionsbedingungen zugleich Basis der politischen Verhältnisse, der Selbständigkeit des Staatsbürgers.
    Soweit Sklaverei herrscht oder soweit das Mehrprodukt vom Feudalherrn und seiner Gefolgschaft aufgegessen wird und Sklavenbesitzer oder Feudal herr dem Wucher verfallen, bleibt die Produktionsweise auch dieselbe; nur wird sie härter für die Arbeiter. Der verschuldete Sklavenhalter oder Feudalherr saugt mehr aus, weil er selbst mehr ausgesaugt wird. Oder schließlich macht er dem Wucherer Platz, der selbst Grundeigentümer oder Sklavenbesitzer wird wie der Ritter im alten Rom. An die Stelle der alten Ausbeuter, deren Exploitation mehr oder minder patriarchalisch, weil großenteils politisches Machtmittel war, tritt ein harter, geldsüchtiger Emporkömmling. Aber die Produktionsweise selbst wird nicht verändert.
    Revolutionär wirkt der Wucher in allen vorkapitalistischen Produktionsweisen nur, indem er die Eigentumsformen zerstört und auflöst, auf deren fester Basis und beständiger Reproduktion in derselben Form die politische Gliederung ruht. Bei asiatischen Formen kann der Wucher lange fortdauern, ohne etwas andres als ökonomisches Verkommen und politische Verdorbenheit hervorzurufen. Erst wo und wann die übrigen Bedingungen der kapitalistischen Produktionsweise vorhanden, erscheint der Wucher als eines der Bildungsmittel der neuen Produktionsweise, durch Ruin der Feudalherrn und der Kleinproduktion einerseits, durch Zentralisation der Arbeitsbedingungen zu Kapital andrerseits.
    Im Mittelalter herrschte in keinem Lande ein allgemeiner Zinsfuß. Die Kirche verbot alle Zinsgeschäfte von vornherein. Gesetze und Gerichte sicherten Anleihen nur wenig. Desto höher war der Zinssatz in einzelnen Fällen. Der geringe Geldumlauf, die Notwendigkeit, die meisten Zahlungen bar zu leisten, zwangen zu Geldaufnahmen, und um so mehr, je weniger das Wechselgeschäft noch ausgebildet war. Es herrschte große Verschiedenheit sowohl des Zinsfußes wie der Begriffe vom Wucher. Zu Karls des Großen Zeit galt es für wucherisch, wenn jemand 100% nahm. Zu Lindau am Bodensee nahmen 1344 einheimische Bürger 216 2 / 3 %. In Zürich bestimmte der Rat 43 1 / 3 % als gesetzlichen Zins. In Italien mußten zuweilen 40% gezahlt werden, obgleich vom 12.-14. Jahrhundert der gewöhnliche Satz 20% nicht überschritt. Verona ordnete 12 1 / 2 % als gesetzlichen Zins an. Kaiser Friedrich II. setzte 10% fest, aber dies bloß für die Juden. Für die Christen mochte er nicht sprechen. 10% war schon im 13. Jahrhundert im rheinischen Deutschland das gewöhnliche. (Hüllmann, Geschichte des Städtewesens,

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