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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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besah sich das Elend, das Dote auf dem Boden darstellte.
    »Totales Chaos da vorne. Überall Blut und Geld auf dem Tresen«, sagte er.
    »Mach mich einfach los«, sagte Dote. »Und hol den Marshal her.«
    Shane war der älteste von drei Brüdern und vier Schwestern. War auf den Nebenstraßen von Hazard zu Fuß unterwegs. Ein Fahrzeug hatte er nie besessen. Kaufte sich alle drei Monate ein neues Paar Wanderschuhe, die seinem Fußgewölbe Halt gaben. Brauchte er bei seiner speziellen Gangart. Sein Haar war so grau wie Holzasche aus einem Kentucky-Ofen. Seine Haut vom Herumlaufen in der Sommersonne dunkler als bei den meisten Ureinwohnern.
    »Was zum Teufel ist passiert?«
    »Bin überfallen und zusammengeschlagen worden.«
    »Hab mich gefragt, warum du so spät noch aufhast. Hab’s Licht brennen sehen.«
    »Wie spät?«
    »Lange nach Sonnenuntergang.«
    Shane war keiner, der Zahlen benutzte, um die Uhrzeit anzugeben, er unterschied zwischen hell und dunkel.
    »Offenkundig bist du der Einzige, dem’s komisch vorkam, dass ich nach Sonnenuntergang noch hier bin.«
    Shane holte ein Buck-Messer aus der Hosentasche und ließ es aufspringen. Dote hörte, wie die Klinge einrastete.
    »Sei vorsichtig. Ein aufgeschlitztes Handgelenk kann ich nicht gebrauchen.«
    Shane zerschnitt das Kabel. Schnüffelte. Verzog das Gesicht. »Was riecht denn hier so nach Pisse?«
    Dote nahm seine Hände nach vorn. Rieb sich die Gelenke. »Mach dir keine Gedanken darum. Hilf mir auf die Beine.«
    Die Eingangstür zirpte wieder. »Hier hinten!«, brüllten Dote und Shane gleichzeitig.
    Town Marshal Pike Johnson trat durch den Vorhang. »Scheiße, Dote, wollte mal nach dir sehen. Deine Frau macht sich ganz schön Sorgen. Sagt, sie würde hier seit Stunden anrufen. Was zum Henker ist denn passiert?«
    »Dieser beschissene Jarhead Earl, das ist passiert. Kam hier rein und wollte sich eine Flinte angucken. Muss Munition von zu Hause mitgebracht haben. Du weißt, die hier sind nie geladen. Hat mich um tausend Dollar erleichtert.«
    Pike trug Rustler-Jeans, weißes T-Shirt über leberfleckiger Haut, einen Cowboyhut aus Stroh auf der alternden Mähne und hatte einen kurzläufigen Revolver Kaliber 38 hinten in ein Ansteckhalfter am Hosenbund gesteckt. Er war seit paarundzwanzig Jahren Marshal, hatte genügend Einbrüche erlebt. Besoffene,häusliche Auseinandersetzungen. Er sah sich um, zog eine Lippe kraus. »Riecht, als ob irgendein mürrischer Hundesohn hier hinten sein Beinchen gehoben hätte.«
    »Ja, riecht nach Pisse, oder?«, sagte Shane.
    Dote lief knallrot an, sagte: »Vielleicht die Flaschen Fritz’s Hirsch-Lockmittel. Hab heute Morgen ein paar umgestoßen.«
    »Nee, das hier riecht irgendwie menschlich«, sagte Shane.
    Dote wurde wütend. »Jarhead Earl hat mich ausgeraubt, verdammt! Er hat mich nicht angepisst«, fauchte er.
    Shane wies auf Dotes feuchten Schritt. »Sieht aus, als hättest du das selbst erledigt, Dote.«
    Pike räusperte sich. »Bist du sicher, dass es Jarhead war?«
    »Zum Teufel noch mal, stottere ich?«
    »Kein Grund, sauer zu werden. Ich mach nur meinen Job. War zu erwarten, nehme ich an. Ihr wisst ja sicher beide, dass der Mann, mit dem seine Mama in wilder Ehe zusammenlebte, nicht sein echter Daddy war.«
    »Ohne Scheiß jetzt?«, sagte Shane.
    »Ohne Scheiß. Sein echter Daddy war Vietnam-Veteran. Ein Marine. War Pionier, der auch als Aufklärer gearbeitet hat, wie einige sagen. Soll ein richtig übles Arschloch gewesen sein. Johnnys Mama hat ihn in Indiana sitzenlassen, meinte, er würde mit den Toten reden. Er hat auch nie nach ihr gesucht. Aber Jarhead hat von seiner Mama diesen Spitznamen bekommen, weil sein Daddy ein Marine war.«
    »Jetzt pass mal auf, deine Aufgabe ist es, hier für Frieden zu sorgen. Nicht, uns irgendwelche Märchen über diesen Blödmann mit den vernarbten Knöcheln zu erzählen und den Geruch von Pisse zu entschlüsseln. Wie wär’s, wenn du mir meine Flinte zurückholst, und den Riesen, den er mir gestohlen hat?«
    Pike nickte. »Was für eine Flinte hat er gestohlen?«
    »Eine Remington 1100. Wieso?«
    »Sieht aus, als hätte er die hiergelassen. Hat bloß das Geld gewollt. Die Waffe lehnt da hinten an der Wand.«
    Pike ließ den Blick durch den Vorhang hindurch bis in den Laden schweifen. Zurückgelassenes Geld auf dem Tresen. Spritzer von Dotes Blut. Loch in der Wand, Kaliber 12. »Ergibt nicht sonderlich viel Sinn.«
    Dote war gekränkt. »Ergibt total Sinn«, sagte er. »Der Junge hat

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