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Der Geschmack der Gewalt

Der Geschmack der Gewalt

Titel: Der Geschmack der Gewalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Frank Bill
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eine ganze Weile geträumt hatte. Ein stämmiger Mann, der auf staubigen Nebenstraßen Kilometer um Kilometer zurücklegte, durch die Abendsonne joggte. Anschließend meißelte er eine Tracht Prügel in einen ausgepolsterten Seesack, der von einem Baum hing, oder bearbeitete einen anderen Typen mit Fäusten, Knien und Ellbogen vor einer Horde splittergesichtiger Männer, die Schnaps in sich hineinkippten und ihre Wetteinsätze machten. Er war ein Kämpfer, bekannt unter dem Spitznamen Jarhead Earl.
    Es hatte Tage gegeben, da hatte er von eingefallenen Gesichtern und grummelnden Mägen geträumt, zwei kleinen Jungen und einer Frau. Die Frau war von ihrer Familie malträtiert worden, hatte dabei ein Augenlid eingebüßt. Sie schüttete sich Tabletten in die Hand und kaute sie wie Kaugummis. Die Kinder saßen im Hof auf der blanken Erde, die hier und da von totem Gras gefleckt war. Sie spielten auf einer provisorischen Schaukel, schwer von Rost befallen, der sich wie Akne ausgebreitet hatte. Aber als der Kämpfer kam, flogen ihm ihre Herzen zu, so als spiele alles andere keine Rolle.
    Es war nun vollständig dunkel, und Purcell schraubte den Verschluss von der Flasche Kessler, goss sich davon in seinen Kaffeebecher ohne Kaffee. Ordnete, so wie er es seit Monaten tat, die Bilder im Kopf, von denen er wusste, dass sie Teile eines Puzzles waren. Er zündete sich eine Marlboro an, hatte das untrügliche Gefühl, dass sich da etwas ziemlich Beschissenes zusammenbraute und er mittendrin sein würde, aber er hatte keine Ahnung, was, denn er wartete noch immer darauf, dass es Gestalt annahm.
    *
    Fliegen wimmelten und Mücken sirrten um den dunklen Gestank, der den Leichen in die spätnächtliche Schwüle hinein entströmte. Die Flammen hatten dem Haus Wände und Dach genommen und nur ein verkohltes Gerippe hinterlassen.
    Deputy Sheriff Ross Whalen stand da und tupfte sich mit einem fransigen blauen Taschentuch die Stirn ab, mit der anderen Hand schwenkte er seine Maglite. Dachte darüber nach, wie die Stadt aufgeblüht war durch die Fabrik, die mit Auto- und Lastwagenbauteilen für Ford und GM Profite erwirtschaftet hatte. Bei den Arbeitern hatte das allerdings der Sucht Tür und Tor geöffnet; sie rauchten, drückten oder schnieften künstliches Dopamin und versanken in umnebelten Zeitlöchern. Was würden sie tun, wenn die Fabrik schloss? Ihre Arbeitslosenhilfe auslief? Noch mehr Jobs verschwanden und die Abhängigkeit in offene Gewalt umschlug?
    Officer Meadows war zwischen seinen cremeweißen Zähnen mit einem Zahnstocher zugange, leuchtete mit der Taschenlampe und sah zu, wie Deputy Sheriff Whalen sich hinkniete. »Was denkst du, Ross?«, fragte er seinen Boss.
    »Das ist hier nicht der Wilde Westen«, erklärte Whalen, nachdem er den Blick über das Verkohlte und das Nichtverkohlte hatte gleiten lassen, dann hinauf zu dem alten Schuppen, wo Angehörige der Freiwilligen Feuerwehr sich mithilfe eigener Lampen die Schwärze besahen. »In einer Kleinstadt im südlichen Indiana sollten Häuser nicht einfach so abbrennen. Genauso wenig sollten Leute einfach eine Kugel im Hinterkopf haben.«
    Meadows spuckte den Zahnstocher aus, direkt auf den Namenlosen, der die Form eines Kingsford-Grillkohlebriketts hatte. »Glaubst du, jemand hat wieder diesen Scheiß gekocht?«, fragte er.
    Whalen atmete aus. »Würd ich schon sagen, immerhin frisst es den Großteil des Countys auf. Aber wir wissen mehr, wenn die getoasteten Namenlosen identifiziert sind und wir das Kaliberder Waffe kennen. Die Jungs von der State Police und die Brandinspektoren werden rausfinden, wie es zu dem Feuer gekommen ist. Und du nimmst deinen verdammten Zahnstocher vom Opfer. Das gehört sich einfach nicht.«
    *
    Blut war in Dotes Nacken getrocknet. Ein Telefonkabel fixierte seine haarigen Handgelenke auf dem Rücken. Wange und Stirn drückten gegen kalten Beton. Er versuchte, durch die ruinierte Nase zu atmen, die zu einer schwarzen Kartoffel angewachsen war. Hustete. Ruckelte mit einer hammermäßig klopfenden Migräne zwischen den gestapelten Munitionskisten Humpty-Dumpty-mäßig hin und her, um in eine aufrechte Sitzposition zu kommen.
    Als er schließlich saß, drehte sich um ihn herum alles. Der Raum schien vor Kälte zu zittern. Hinter ihm zirpte die Eingangstür des Waffenladens. »Hier hinten! Hey, helfen Sie mir!«, brüllte er.
    Shane eilte nach hinten. Sein rechtes Auge bewegte sich in der Höhle wie eine Fliege, nach der geschlagen wurde, sein linkes

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