Der gestreifte Spanier (German Edition)
war.
„Nein, sowas. Du hast einen der Geister gefangen“, sagte sein Großvater. Sascha zuckte zusammen und hätte das Tier vor Schreck beinahe fallenlassen.
„Öffne deine Hand“, forderte der Großvater ihn auf.
„Aber er wird wegfliegen.“
„Sascha!“, mahnte der Großvater.
Zögernd gehorchte Sascha. Das Tier, gerade so groß, dass es Platz in der Kinderhand fand, blinzelte ins Licht. Rotbraunes Fell bedeckte den Körper, die Ohren waren größer als der Kopf. Es schmatzte und entblößte dabei winzige, spitze Zähne. Seine Beine waren mit einer ledernden Haut verbunden, die es wie einen Regenschirm zusammenfalten konnte.
„Dieser Geist wird auch Fledermaus genannt“, erklärte der Großvater. „Am Tag schläft er. Deswegen fliegt er jetzt auch nicht weg. Trotzdem darfst du ihn niemals fangen und einsperren. Denn dann stirbt er. Und nun bringen wir ihn zurück zu seiner Familie.“
Gemeinsam stiegen sie zum Dachboden hinauf. Vorsichtig nahm der Großvater die Fledermaus in die Hand und setzte sie auf einen Dachbalken. Sekunden später war sie im Dunkeln verschwunden.
„Dort oben wohnen sie. In einem Fledermauskasten, den ich ihnen gebaut habe“, sagte er leise.
„Wohnen die immer in Häusern?“, fragte Sascha.
„Normalerweise leben sie in Höhlen, Felsspalten oder alten Bäumen. Aber davon gibt es nicht mehr so viele, weil die Menschen den Platz für sich beanspruchen. Doch ohne den Schutz vor Kälte und Nässe sterben die Fledermäuse. Daher suchen sie Unterschlupf in unseren Häusern. Wir dürfen sie nicht daraus vertreiben, sondern müssen sie schützen, weil sie sonst für immer von der Erde verschwinden.“
An diesem Abend durfte Sascha länger aufbleiben als sonst. Als die Dämmerung hereinbrach, ging er mit seinen Großeltern nach draußen. Längst hatten alle Vögel ihre Schlafplätze eingenommen. Es war still geworden auf dem Hof. Plötzlich flatterte ein Schatten über die Bäume. Dann noch einer und noch einer. Auf einmal waren es so viele, dass Sascha sie nicht mehr zählen konnte.
„Da sind sie, unsere freundlichen Geister der Nacht“, rief der Großvater. Staunend beobachtete Sascha die Fledermäuse, die den nächtlichen Himmel im Zickzackflug belebten.
D as Turnier
Luisa gehörte schon immer zu den chaotischen Menschen. Aber an diesem Morgen spürte ich ihre Nervosität, als wäre es meine eigene.
Am besten machte ich mich unsichtbar. Von meinem Platz aus hörte ich, wie sie hektisch durch das Haus lief. Treppauf, treppab, mit klappernden Absätzen.
„Bruno, wo sind die Unterlagen?“, rief sie.
„Da, wo du sie gestern Abend hingelegt hast.“
„Wo war denn das gleich?“ Ihr Blick huschte durch das Zimmer.
„Luisa, bitte tu dir selbst einen Gefallen. Beruhige dich!“
„Du hast gut reden. Es steht so viel auf dem Spiel.“ Sie zog Schubladen auf, schloss sie wieder und stieß ab und zu ein verzweifeltes „Das gibt es doch gar nicht“ aus.
Ich schloss die Augen. Eine Hilfe war ich ihr sowieso nicht.
„Bruno!“
Ich riss die Augen wieder auf.
„Was denn?“
„Kannst du mir nicht helfen? Wir müssen los und du weißt genau, dass wir ohne dieses blöde Anmeldeformular nicht teilnehmen können.“
„Aber das ist das letzte Mal. Ich bin es endgültig leid, deine Unordnung zu unterstützen. Hättest du die Papiere – wie ich es gesagt habe – gestern gleich ins Auto gelegt, müsstest du jetzt nicht suchen.“
Nachdenklich zog Luisa die Brauen zusammen.
„Hab ich vielleicht doch …?“ Schon war sie verschwunden.
Der Tag schien aufregend zu werden.
„Stell dir vor, sie lagen tatsächlich im Wagen. Gott sei Dank! Wo bin ich nur mit meinen Gedanken?“, schwatzte Luisa wenig später. Sie klapperte eilig die Treppe nach oben und als sie wieder herunterkam, trug sie die magische Kleidung. Blitzartig sprang ich auf.
Wir fuhren los. Voller Vorfreude schaute ich aus dem Fenster.
Die Fahrt dauerte nicht lange. Wir stiegen aus und sofort schlugen mir vertraute Geräusche und Gerüche entgegen. Mein Herz klopfte heftig. Doch zum Umschauen und Kontakte knüpfen blieb keine Zeit, denn Luisa hastete sofort los. Ich blieb dicht bei ihr, um sie im Gewühl nicht zu verlieren.
Luisa gab die Anmeldung ab und erhielt eine Nummer. Menschen klatschten, wenn über Lautsprecher eine Stimme ertönte. Gelächter und laute Rufe, Hundegebell und Musik mischten sich darunter.
„Die nächste Startnummer lautet siebenundzwanzig“, schallte es über den
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