Der gewagte Antrag
Großvaters Einnahmen um meine Einkünfte bestellt ist, seit ich nach seinem Tod die Zügel in die Hand genommen habe? Wenn seine Geschäftsführung ein Beispiel dafür ist, wie ein Mann sie betreibt, dann ziehe ich es vor, meine eigene Herrin zu sein.”
Darauf wusste Chesney nichts zu erwidern. Ihm war zu gut bekannt, dass die Güter um ein Zehnfaches ertragreicher geworden waren, seit seine Nichte im Alter von einundzwanzig Jahren geerbt und mithilfe des von ihr bestallten Verwalters die Kontrolle über ihre ausgedehnten Ländereien übernommen hatte. “Trotzdem bitte ich dich”, sagte er nach kurzer Pause eindringlich, “das Angebot des Earl of Clermont, seinen Sohn Charles, Viscount Halstead, zu heiraten, nochmals einer gründlicheren Prüfung zu unterziehen. Dieser Antrag ist wirklich sehr ehrenvoll für dich!”
“Und nur dazu gedacht, möglichst ehrenvoll an meinen Besitz zu gelangen”, entgegnete Elinor trocken. “Was ich über Halstead weiß, nimmt mich nicht für ihn ein. Er hat eine misslungene Ehe hinter sich, tötete den Liebhaber seiner Gattin im Duell, ist mit seinem Vater entzweit und …”
“Du bist nicht ganz auf dem laufenden”, unterbrach Chesney hastig. “Inzwischen hat er sich mit ihm versöhnt und lernt, die Geschäfte seines Vaters zu führen.”
“Dann ist es nicht nötig, dass er sich bei mir in der Administration mehr Routine verschafft”, erwiderte Elinor kühl. “Ein Mann wie er, der arrogant, reizbar und unbeherrscht sein soll, ist wahrlich nicht der Gatte, den ich mir wünsche. Ich danke dir, Onkel Chesney, für deine Bemühungen, aber meine Antwort auf dein Ansinnen lautet nach wie vor nein!”
“Empfange Halstead doch wenigstens einmal, wie sein Vater vorgeschlagen hat”, bat Chesney verzweifelt. “Entweder hier oder an einem anderen dir genehmen Ort. Nur, damit du siehst, ob ihr zusammenpasst.”
“Nirgendwo!”, weigerte Elinor sich erneut in keinen Widerspruch duldendem Ton. “Und dabei bleibt es! Halstead ist der letzte, mit dem ich verheiratet sein möchte. Ich würde ihn nicht nehmen, und brächte er ein komplettes Königreich in die Ehe ein. Nicht einmal dann, wenn er vor mir auf den Knien läge.”
Leise aufstöhnend, schüttelte Chesney fassungslos den Kopf.
“Gib doch zu, Onkel, dass der einzige Grund, warum jemand mich zur Gemahlin will, sein Wunsch ist, an mein Vermögen zu kommen”, fuhr Elinor unbeirrt fort. “Welcher Mann, der seine Sinne beisammen hat, würde eine hässliche alte Jungfer wie mich haben wollen? Du selbst hast mir mit deiner Argumentation bestätigt, dass ich recht habe. Du hast mir stets nur mit dem Hinweis zur Ehe geraten, ich hätte an das Wohl meiner Besitztümer und die Erbfolge zu denken.”
“Diese Bemerkung war unfair!”, warf Chesney rasch ein.
“Unfair?”, wiederholte Elinor, hob die Brauen und erblickte sich im gleichen Moment in dem herrlichen, über dem Kamin hängenden venezianischen Spiegel. Sie war tatsächlich keine schöne Frau. Das Gesicht war zu grobgeschnitten, zu kantig, und die Statur zu groß. Obendrein war sie viel zu langweilig gekleidet. Nur die grauen Augen und der Glanz der kastanienbraunen Locken milderten etwas die strenge Wirkung ihrer Erscheinung. “Weißt du, Onkel Chesney”, sagte sie und richtete wieder den Blick auf ihn, “mir ist seit Langem klar, dass ich nur eine Vernunftehe eingehen werde. Aber ich möchte zumindest die Möglichkeit haben, mir den Gatten auszusuchen.”
“Und wie willst du das?”, fragte Chesney, verärgert über die Starrköpfigkeit der Nichte. “Du hast ja ständig nur die Dienstboten um dich, dazu den alten Challenor, den noch älteren Payne und den nicht mehr jungen Henson, desweiteren die liebedienerischen Lakaien, angeführt von dem betagten Aisgill, der deine ganz besondere Wertschätzung genießt. Du lebst wie eine Einsiedlerin”, fügte Chesney hinzu und verzog abfällig die Lippen. “Wie willst du dir einen Gemahl suchen, wenn du nie in die Öffentlichkeit gehst oder gestattest, dass ein Verehrer dich hier aufsucht? Lass wenigstens Halstead herkommen und rede mit ihm. Vielleicht versteht ihr euch. Er war früher bei der Kavallerie und soll ein vernünftiger Mann sein, dessen Qualitäten nicht nur von seinem Vater unterschätzt werden.”
“Ich bin mit dem, was ich habe, zufrieden. Ich will keine Besucher, weder weibliche noch männliche. Du vergisst, dass Tante Annabelle bei mir lebt und ich genug damit zu tun habe, mich um den Besitz zu
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