Der gewagte Antrag
habe auch ich mich zu Onkel Chesney geäußert, und gleichfalls nicht in sehr zartfühlender Form. Und was ist passiert? Jetzt sind wir Mann und Frau und ein Leben lang mit dem Menschen verbunden, für den wir die größte Abneigung gezeigt haben.”
“Nell, ich nehme diese Geschichte nicht von der leichten Seite!”, wandte Charles ein.
“Ich habe nicht vor, deswegen in Tränen auszubrechen, und ein Grund, die Scheidung einzureichen, ist es auch nicht. Also werden wir, so wie es aussieht, zumindest auf dem Papier zusammenbleiben, bis der Tod uns scheidet.”
“Ich bin zu dir gekommen, um mich zu entschuldigen, Nell”, sagte Charles stirnrunzelnd. “Doch du redest nur Unsinn! Ich habe schlimme Kopfschmerzen, und dein Verhalten macht sie nicht besser!”
“Gut, dann will ich dich nicht länger quälen”, entgegnete Elinor schmunzelnd. “Ich weiß nicht, in welcher Form ihr Männer eine Wette bestätigt, aber dein Bruder hat mir berichtet, dass deine nie schriftlich festgehalten wurde. Du warst viel zu betrunken, um deinen Namen auf ein Papier zu setzen. Folglich bist du nicht an sie gebunden und kannst also nicht verlieren oder gewinnen.”
Überaus erleichtert, ging Charles zu Elinor, zog sie sachte aus dem Sessel und sagte zärtlich: “Ich liebe dich, Schatz, und es ist mir gleich, wie schlecht ich mich benommen habe oder was du darüber denkst.” Stürmisch nahm er sie in die Arme und küsste sie voller Leidenschaft. Glücklich löste er sich von ihr und fragte weich: “Du hast mir also die Beleidigungen verziehen, die ich schändlicherweise über dich geäußert habe, ehe ich dir begegnete?”
Elinors Antwort war ein neuer Kuss. “Eines ist sicher”, sagte sie dann lächelnd. “Was immer die Gesellschaft von unserer Hochzeit halten mag, dein Vater, der ja unbedingt wollte, dass ich deine Gattin werde, und mein Onkel, der sich sehr um meine Vermählung mit einem gewissen Lord Halstead bemüht hatte, können sich jetzt die Hände reiben. Eine größere Freude hätten wir den beiden wohl kaum machen können.”
“Ach, Nell! Du bist einzigartig!”, erwiderte Charles und hauchte ihr einen Kuss auf die Stirn. Jäh kam ihm ein Gedanke, und bestürzt erkundigte er sich: “Was ist aus Rajah geworden?”
“Er ist gestern Nacht, wie sein Herr vor sieben Monaten, vollkommen erschöpft, aus dem Moor gekommen. Aber ich hoffe, dass er sich wie du schnell erholen wird.”
“Ich bin auf dem besten Wege”, versicherte Charles. “Meine Genesung wird rasch Fortschritte machen, vorausgesetzt, du reizt mich nicht zu sehr. Gebührende Untertänigkeit deinem Herrn und Meister gegenüber würden wahre Wunder bei mir vollbringen. Sorge dafür, dass es so ist, Liebling.”
“Mit dem größten Vergnügen”, sagte sie verschmitzt. “Ich setze jedoch voraus, dass du die Pflichten nicht vernachlässigst, die du der Herrin von Campions schuldig bist.”
– ENDE –
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