Der Glasmaler und die Hure
Trümmern übersät, viele Landsknechte rannten hektisch umher und versuchten die Feuer zu löschen, die ringsherum loderten. Martin konnte mehrere getötete Männer neben ihren niedergestreckten Pferden erkennen. Die meisten der Gesichter waren von wilden Haarmähnen bedeckt. Viele dieser Krieger hielten auch im Tode noch ihren Krummsäbel umklammert. Er war solchen Soldaten bereits im Lazarett von Podelwitz begegnet. Kroatische Reiterei – der erbarmungsloseste und gefürchtetste Feind, der den Schweden auf dem Schlachtfeld entgegentrat. Eine Einheit der Kroaten mußte in das Lager eingedrungen sein und mehrere Pulverwagen gesprengt haben, um den schwedischen Nachschub zu unterbinden.
Martin ritt an den Feuern vorbei und fragte sich, ob das Quartier des Rittmeisters Poutiainen ebenfalls ein Opfer der Flammen geworden war.
Seine Sorge erwies sich als unbegründet, denn Poutiainens Unterkunft befand sich in einem Abschnitt des Lagers, der von dem Angriff der Kroaten unbehelligt geblieben war. Erleichtert kam Martin endlich an seinem Ziel an, rutschte vom Pferderücken und hob dann auch Thea vorsichtig herunter.
Ein Pferdeknecht eilte herbei, der sich um die Stute kümmerte und nach Maija Poutiainen rief. Maija trat aus dem Hauptzelt und musterte Martin mit enttäuschter Miene. Er vermutete, daß sie gehofft hatte, ihr Ehemannwäre wohlbehalten aus der Schlacht zurückgekehrt. Als sie jedoch begriff, wie schwer Thea verletzt war, wich die Enttäuschung der Sorge, und sie half Martin, Thea unter das Zeltdach neben Martins Wagen zu schaffen.
»Was ist geschehen mit ihr?« wollte sie von ihm wissen.
»Jemand hat auf sie geschossen.« Martin legte Thea vorsichtig auf die Strohmatratze.
»Gütiger Gott!« stieß Maija hervor. »Aber warum?«
»Ich werde Euch später davon berichten.« Er knöpfte Theas Kleid auf und löste den provisorischen Verband. »Bitte schafft heißes Wasser herbei.«
Maija nickte. Bevor sie ging, fragte sie noch: »Wie steht es um die Schlacht?«
Martin hob die Schultern. »Ich weiß es nicht. Der Pulverdampf hüllt die Armeen ein. Ich habe keine Ahnung, welche Seite das Feld behaupten wird. Aber ich hoffe mit Euch, daß Euer Mann unbeschadet heimkehrt.«
Maija dankte ihm und machte sich dann auf den Weg.
Behutsam entfernte er den blutbefleckten Verband und warf ihn zur Seite. Er schob Theas Hemd nach oben und nahm die Wunde genauer in Augenschein. Das Bleigeschoß hatte den Leib durchschlagen, und an ihrem Bauch klebten viele verbrannte Stoffetzen im Wundkrater.
Maija brachte das Wasser. In ihren Augen erkannte er den Ekel, und darum schickte er sie fort. Sie kehrte jedoch bald darauf zurück und stellte zwei Lampen vor ihm ab. Dann entfernte sie sich rasch wieder, sobald sie einen Blick auf die schreckliche Wunde geworfen hatte, die Martin nun behutsam säuberte. Jede Berührung mußte eine Qual für Thea bedeuten, denn immer wenn er einen Stoffetzen aus ihrem wunden Fleisch löste, stöhnte sie so laut auf, als presse er ein glühendes Eisen gegen ihre Haut.
Mitternacht war lange ausgerufen worden, als Martin sich erschöpft neben Thea hockte und über sein Gesichtwischte. Auf einem Zinnteller vor ihm lagen die Splitter des Bleigeschosses und die Stoffetzen, die er aus der Wunde entfernt hatte. Er hatte die Wundränder mit zerkautem Spitzwegerich bestrichen, in Essig getauchte Tücher auf den Durchschuß gelegt und einen Verband angefertigt.
Danach breitete er eine Filzdecke über Thea aus. Sie zitterte nicht, aber auf ihrer Stirn glänzten Schweißperlen. Eine Weile betrachtete er still ihr bleiches Gesicht, das wie eine Totenmaske wirkte. Die ganze Zeit war sie kaum bei Besinnung gewesen, doch nun schlug sie die Augen auf und starrte ihn bang an.
»Martin.« Ihre Stimme klang schwach, fast tonlos.
»Ich bin hier«, antwortete er.
Es dauerte mehrere Atemzüge, bis Thea die nächsten Wörter hervorbrachte.
»Wo ist … Rupert?«
»Er ist tot. Wir haben ihn in die Hölle geschickt.«
Thea hustete und verzog ob dieser Bewegung schmerzhaft das Gesicht.
»Vielleicht … vielleicht sehe ich ihn dort schon bald.«
»Unsinn«, widersprach Martin entschieden. »Du wirst weder in die Hölle fahren noch zum Himmel emporsteigen. Du bleibst bei mir. Ich habe schließlich lange genug auf dich warten müssen.«
»Mir ist kalt.«
Martin strich besorgt über ihr Haar, dann legte er sich so nah neben sie, wie es möglich war, ohne ihr Schmerzen zu bereiten. Diese Wärme war alles, was
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