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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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viel mehr als einen Kanten Brot zu sich genommen hatte.
    Der Finne warf einen skeptischen Blick auf die schlafende Thea und auf die schmutzigen Stoffverbände, die ringsherum auf dem Boden lagen.
    »Ihr solltet etwas essen«, meinte Poutiainen. »Und ein paar Augenblicke an der frischen Luft würden Euch auch nicht schaden. Man sieht Euch an, wie entkräftet Ihr seid. Meine Frau sorgt sich darum, daß Ihr neben Thea zusammenbrechen könntet. Gönnt Euch ein wenig Ruhe.«
    Martin nickte, küßte Theas Stirn und verließ mit Poutiainen das Zelt. Sie setzten sich auf eine Holzkiste. Martin verschlang gierig den Eintopf und stürzte das Bier hinunter. Danach teilte er sich mit dem Rittmeister eine Pfeife und genoß den würzigen Geschmack des Tabaks.
    In das Lager war Ruhe eingekehrt. Nach dem Rückzug der kaiserlichen Armee waren die Soldaten und der Troß damit beschäftigt, die Blessuren des Kampfes zu pflegen und die Kriegsbeute mehr oder minder ertragreich zu verschachern.
    »Wer führt nun diese Armee?« wollte Martin wissen.
    Poutiainen reichte ihm die Pfeife. »Das Oberkommando wurde Herzog Bernhard von Weimar übertragen. Zweifelsohne ein fähiger Offizier, aber kein begnadeter Feldherr wie unser verstorbener König.«
    »Ich kann gar nicht recht daran glauben, daß wir die Schlacht für uns entschieden haben«, sagte Martin. Er zog eine Decke um seine Schultern, um sich vor der Kälte dieses Novembermorgens zu schützen. »Alles hier im Lager wirkt so traurig auf mich.«
    »Wir haben das Feld behauptet.« Poutiainen lachte bitter. »Aber nur weil die Kaiserlichen sich zurückgezogen haben, bevor wir unseren Abmarsch beginnen konnten. Wir waren ganz einfach langsamer. In späterer Zeit wird man sagen, die schwedische Armee hätte die Bataille bei Lützen siegreich bestritten, auch wenn diese Schlacht in Wahrheit keinen Sieger kennt.«
    Eine Weile schwiegen sie und hingen ihren melancholischen Gedanken nach. Dann drehte Poutiainen sich zu Martins Zelt um und fragte: »Wie ist ihr Zustand?«
    Martin seufzte. »Ich konnte verhindern, daß der Wundbrand ausbricht, aber sie hat viel Blut verloren.« Er sog den Rauch ein und ließ ihn tief durch seine Lungen fahren. »Bitte schafft einen Priester herbei«, sagte er.
    Der Finne blickte ihn entsetzt an. »Einen Priester? Glaubt Ihr, daß es so schlecht um Thea steht?«
    »Ihr habt mich mißverstanden.« Martin klopfte Poutiainen auf die Schulter. »Thea ist stark. Sie wird leben. Ich habe ein Versprechen zu erfüllen. Und darum werde ich Thea heute noch heiraten.«

Epilog
    Im April 1634 kehrten Thea und Martin nach Magdeburg zurück.
    Fast drei Jahre waren seit ihrer Flucht aus der brennenden Stadt vergangen. Keiner von ihnen sprach ein Wort, als sie den Wagen durch das Sudenburger Tor lenkten. Sie passierten den Dom und das Kloster Unserer Lieben Frauen, die als einzige markante Gebäude von der Katastrophe verschont geblieben waren und Erinnerungen an das alte Magdeburg wachriefen.
    In einigen Straßen hatten Maurer und Zimmerleute die Aufgabe in Angriff genommen, das einst so stolze Magdeburg in neuem Glanz entstehen zu lassen. Der schwedische Statthalter hatte einen jungen Patrizier namens Otto Gericke zum Festungsbaumeister ernannt und von diesem einen Grundriß entwerfen lassen, nach dem die Stadt neu errichtet werden sollte.
    Inzwischen lebten bereits wieder mehrere hundert Familien in Magdeburg. Viele von ihnen waren in windschiefen Holzhütten untergekommen oder hausten in den Kellern der Ruinen, doch am Breiten Weg befanden sich die ersten Bürgerhäuser bereits im Bau. Thea betrachtete die Handwerker und lauschte dem Klopfen, Hämmern und Sägen, das sie hoffen ließ, daß Magdeburg irgendwann einmal aus den Ruinen neu entstehen würde.
    Die fremden Gassen und Straßen machten es ihnen nicht einfach, an den Platz zu gelangen, an dem sich einst das Haus der Fellingers befunden hatte. Mehrmals wendeten sie den Wagen und versuchten sich zu orientieren.
    »Hier muß es sein«, rief Sebastian schließlich, der hinterdem Bock hockte und seine Hände auf Martins Schulter legte. »Wir sind angekommen. Genau hier stand das Haus unserer Familie.«
    »Bist du dir dessen gewiß?« fragte Martin.
    Sebastian nickte eifrig. »Wenn du nicht nur Augen für deine Frau hättest, würdest auch du es längst erkannt haben.«
    Thea wandte sich um und tauschte ein Lächeln mit Sebastian. Sie hatte Martins Bruder vom ersten Augenblick an lieb gewonnen. Er hatte sie mit offenen

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