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Der Glasmaler und die Hure

Der Glasmaler und die Hure

Titel: Der Glasmaler und die Hure Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wilcke
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gefaßt.
    Einen Augenblick lang standen sie sich abschätzend gegenüber. Von draußen erklang noch immer das Getöse des Schlachtenlärms. Martin kam es allerdings vor, als wären die Armeen in weite Ferne gerückt – in eine Welt, fernab der Wirklichkeit, die sich ihm in dieser Mühle offenbarte.
    »Laß sie gehen!« verlangte Martin und machte einen weiteren Schritt auf Rupert und Thea zu.
    Ruperts Blick ruhte einen Moment lang auf Bertholds Leiche. Martin fiel auf, daß sich sein Arm nun noch fester um Thea krampfte, die vor Angst zitterte und nach Luft schnappte.
    Rupert nahm die Pistole von ihrem Kopf, fuhr mit der Waffe langsam den Rücken entlang und drückte sie in Theas Kreuz. Sein Auge fixierte wieder Martin, als er sagte: »Für uns ist der Tod eine Gnade.«
    Thea schrie und bäumte sich auf. Martin wußte, daß er Rupert unverzüglich töten mußte.
    Bevor er diesen Gedanken voll erfaßt hatte, erfüllte ein berstendes Krachen den Raum. Das Geschoß durchschlug Theas Leib und verfehlte nur knapp Martins Hüfte. Rupert stieß Thea von sich, und sie fiel in Martins Arme. Der Schwung, mit dem sie auf ihn fielen, riß beide zu Boden. Taumelnd fielen sie auf die festgestampfte Erde. Die Pistoleglitt aus Martins Hand. Nun war er Rupert schutzlos ausgeliefert.
    Theas erschlaffter Körper rutschte von ihm herunter. Seine Hände waren verklebt mit ihrem Blut.
    Sie ist tot.
Der Gedanke tobte in seinem Kopf.
Sie ist tot, und ich habe sie ebensowenig vor Rupert schützen können wie Sophia.
    Martin blinzelte und sah über sich einen Schatten auftauchen. Rupert hob einen Degen an und zielte auf sein Herz. Für einen Augenblick erschien Martin der Tod tatsächlich wie eine Gnade, doch bevor Rupert zustoßen konnte, rollte er sich zur Seite und versuchte auf die Beine zu gelangen. Während er voranstolperte, setzte Rupert ihm nach. Der Degen fuhr durch die Luft und verfehlte Martin nur knapp.
    Martin drehte sich um, griff Rupert mit den Fäusten an und schlug ihm hart ins Gesicht. Rupert stöhnte nur kurz auf und landete sofort darauf einen Fausthieb in Martins Magen.
    Martin prallte gegen das Mauerwerk. Der Schmerz ließ ihn schwindeln, doch er konnte dem heranstürmenden Rupert noch einmal ausweichen, indem er sich rasch duckte, als sein Vetter ihm seinen Degen, den er wieder aufgenommen hatte, auf den Kopf schlagen wollte.
    Stolpernd stürzte Martin voran. Er bekam in einem Geröllhaufen ein schmales Holzbrett zu fassen und wehrte damit Ruperts nächsten Angriff ab. Als sein Vetter erneut zum Schlag ausholte, rollte Martin sich zur Seite, so daß der wuchtige Hieb nur Erde traf. Martin kam auf die Beine und schlug das morsche Holz mit aller Kraft auf Ruperts Schulter. Der wurde von dieser Attacke so überrascht, daß ihm die Waffe aus der Hand glitt, doch nun packte er Martin mit bloßen Händen und ging mit ihm zu Boden.
    Martin stemmte das Brett gegen Rupert, der schwer auf ihm lag und die Holzkante auf seine Kehle drückte. Weiterund weiter senkte sich das Brett und schnürte Martin die Luft ab. Er krächzte und wand sich. Seine Kräfte schwanden.
    Plötzlich nahm er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr, dann hörte er Ruperts Schrei, der wie das Jaulen eines Tieres klang. Der Druck auf seine Kehle ließ nach. Martin schnappte würgend nach Luft.
    Über sich preßte der aufheulende Rupert beide Hände vor das Gesicht. Ein Körper sank neben Martin zu Boden. Er drehte den Kopf und starrte in Theas Gesicht.
    Rupert torkelte wie ein Betrunkener durch die Mühle. Er stieß noch immer schrille Schreie aus, und als er für einen kurzen Moment die Hände sinken ließ, erkannte Martin, daß Thea ihm die Scherbe aus dem Glasmosaik tief in das Auge getrieben hatte.
    Martin wollte sich um Thea kümmern, doch zuvor mußte er Rupert erledigen. Auch blind konnte sein Vetter noch immer eine Gefahr für sie bedeuten.
    Seine Pistole lag neben ihm auf dem Boden. Er nahm die Waffe an sich, richtete sie auf Rupert und feuerte. Das Geschoß durchschlug Ruperts Brustkorb und schleuderte ihn auf das zerstörte Mauerwerk der Mühlenrückwand. Dort sackte er zusammen, während sich sein Blut über die Steine verteilte.
    Martin ließ die Pistole zu Boden fallen und stürzte zu Thea. Vorsichtig hob er ihren Kopf an. Ihre Augen waren offen. Sie legte die Hand an seine Wange und brachte nur ein Krächzen hervor.
    »O Himmel, Thea«, flüsterte Martin. Er schob ihr Hemd hoch und stellte fest, daß die Bleikugel ihren Leib an der gleichen

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