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Der globale Eingriff

Der globale Eingriff

Titel: Der globale Eingriff Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James White
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persönlicher und beruflicher Klugheit ausgestattet, und daß er ein Freund von Ihnen war“, fuhr Malcolm fort, „hatte keinen Einfluß auf meine Entscheidung. Was einzig und allein Einfluß darauf hatte, waren das Ausmaß seiner Verletzungen sowie seine Chancen, sich von diesen zu erholen. Sie haben gesehen, daß seine Verletzungen sehr ausgedehnter und ernster Natur waren. Die Amputation aller vier Gliedmaßen wäre notwendig gewesen. Neben den vielen stich- und schnittartigen Verletzungen hatten seine Nieren den Dienst aufgegeben, vielleicht für immer, und es gab noch weitere innere Verletzungen. Der Verlust seines Augenlichts und der zerschmetterte Kiefer waren noch die geringsten unter unseren … seinen … Sorgen. Er hatte nur eine winzige Chance zu überleben. Er hätte zwar vielleicht überleben können, aber seine Genesung wäre, wie wir sagen, partiell gewesen.“
    „Sie hätten ihm zumindest diese kleine Chance geben können“, sagte Reynolds wütend.
    „Meiner Meinung nach nicht“, erwiderte Malcolm. „Wegen der Verletzungen an der Wirbelsäule hätten künstliche Gliedmaßen ihm nichts genützt. In dem Moment, in dem seine Verletzungen und die Stümpfe einigermaßen ausgeheilt gewesen wären, wenn sie überhaupt geheilt wären, wäre er von der Intensivstation in eine andere Abteilung verlegt worden. Patienten, die aus der Intensivstation entlassen werden, sind nicht geheilt, das müssen Sie wissen. Jeder andere würde sagen, daß sie immer noch sehr krank sind. Von einer Erholungsstation wäre er in eine Genesungsstation verlegt worden. Schließlich dann in eine Wiedereingliederungsstation. Dort wäre ihm ein Rollstuhl, selbstredend ohne Motor, zugewiesen worden. Von Zeit zu Zeit hätte sich seine Umgebung, für ihn nur Hintergrundgeräusche, geändert. Dann war er in die Nachpflege gekommen.“
    „Nachpflege ist so ungefähr das genaue Gegenteil von Intensivpflege“, fuhr Malcolm in unverändertem Ton fort. „Die Abteilung ist überfüllt und hat zu wenig Personal, da nur sehr wenige Menschen gefühlsmäßig dazu in der Lage sind, solche Arbeit zu verrichten. Mitgefühl oder Aufmerksamkeit den Patienten gegenüber gibt es kaum, da über zweitausend davon da sind. All die Schwerverletzten sind da, die übel zugerichtet worden und nicht gestorben sind, die Menschen, die von den meisten anderen Bürgern bequemerweise vergessen werden. Einige von ihnen waren fast ihr gesamtes Leben lang in der Nachpflege.
    Solche Patienten zu pflegen ist eine harte, undankbare, unangenehme und namenlos langweilige Arbeit. Die Menschen, die diese Arbeit tun, haben, nun, manchmal Charakterschwächen. Manchmal vergessen sie mehrere Mahlzeiten hintereinander, die ihnen zugewiesenen Patienten zu versorgen, oder sie sind sehr beschäftigt und lassen verdreckte Patienten tagelang liegen, oder sie zeigen ein paarmal hintereinander denselben Film, oder sie legen dieselbe Kassette mehrmals hintereinander auf. Es gibt einfach zu viele Patienten, zu viele Beschwerden, zuviel Krach, um jeden als Einzelperson zu behandeln. Verstehen Sie? Freunde und Verwandte kommen dann auch bald nicht mehr zu Besuch, und jene, die regelmäßig solche Patienten besuchen, werden häufig nach einiger Zeit selber zu Patienten, und zwar in der psychiatrischen Klinik.“
    Malcolm starrte weiterhin auf die Bilder, die auf dem leeren Fernsehschirm erschienen. „Aus dem wenigen, was ich über Sergeant Telford wußte, habe ich geschlossen, daß er für die Chance, ein solches Leben zu führen, nicht dankbar gewesen wäre.“
    Da der Arretierungsmechanismus des Sitzes fehlerhaft war, schnappte dieser in seinen Platz in der Wand zurück, als der Inspektor aufstand. Zu Ann sagte er: „Auf Wiedersehen. Sie und Ihr Mann waren mir eine große Hilfe, und wir sollten diese Verschwörung wirklich noch einmal genau durchsprechen. Aber ich fürchte, daß das noch einige Zeit warten muß, bis ich nämlich genügend Abstand zu dem ganzen Geschehen gewonnen habe, was zur Zeit noch nicht der Fall ist. Was Sie angeht, Doktor: Vielleicht haben Sie die richtige Entscheidung getroffen, aber … Sie haben es auf jeden Fall geschafft, daß ich mir eines klargemacht habe: Diese duplizierten Supermenschen sind nicht die einzigen Unmenschen auf dieser Erde.“
    Als er gegangen war, überflog ein schüchternes Lächeln Anns Gesicht, und sie sagte: „Schade, daß wir diese Gleittür haben. Ich glaube, er hätte sie ganz gerne ins Schloß geworfen.“
    Malcolm lachte

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